Liebste Bücherwürmer!
Ich bin ein Mensch, dessen Kindheit von Trickfilmen der besonderen Art geprägt war. Ich wuchs auf mit dem Wissen, an jedem Weihnachtsfest einen weiteren Film über kleine und große Helden, mit viel Gesang und einer guten Prise Herzschmerz dem stetig wachsenden Repertoire heimischer Videokassetten hinzufügen zu können. Die Rede ist – selbstverständlich – von Disney.
Auch heute schaue ich mir die liebgewonnenen Geschichten gerne immer und immer wieder an, singe aus vollem Hals mit und weine um die Verlorenen. Doch mich interessieren nun die Geschichten, die dahinterstecken. Welches Buch war ausschlaggebend für welchen Film? Und wie wurde die Geschichte umgesetzt? Dem möchte ich in dieser neuen Beitragsreihe nachgehen. Werfen wir einen Blick hinter die Kulissen, suchen wir gemeinsam The Story Behind.
Cap & Capper vs. Fuchsspur
Freund oder Feind?
Cap und Capper ist der 24. abendfüllende Zeichentrickfilm aus dem Hause Disney. 1981 kam er auf die Leinwand und ist bis heute ein beliebter Film über eine ungewöhnliche Freundschaft. In früheren Auflagen wurde dieser Film, der sich um das Fuchsjunge Cap und den Jagdhundwelpen Capper dreht, mit dem Untertitel Zwei Freunde auf acht Pfoten versehen.

Grenzenlose Freundschaft
Noch sehr verspielt, treffen die beiden Tiere im Wald aufeinander und freunden sich rasch an. Mit fatalen Folgen, denn nicht jeder Hund ist einem Fuchs so wohlgesonnen wie der junge Capper. Im Laufe einer wilden Verfolgungsjagd bricht sich Chef, der erfahrenere Jagdhund des alten Farmer, das Bein, als er von einem Zug erfasst wird – und Cap ist schuld daran. Daraufhin schwört ihm Capper bittere Rache. Sie treffen erst wieder aufeinander, als beide erwachsen sind. Während der Fuchs sich an die alte Freundschaft erinnert, bricht bei Capper der angeborene Jagdinstinkt aus und er hetzt seinen früheren Freund durch die Wälder. Erst im letzten Moment besinnt er sich der zurückliegenden Tage und verzeiht dem Fuchs.
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„Du bist mein allerbester Freund.“
„Du meiner auch, Cap.“
„Wir wollen auch immer Freunde bleiben, nicht wahr?“
„Ja. Für immer.“
Cap & Capper![]()
Der Film unterstreicht eine außergewöhnliche Freundschaft zwischen zwei Tieren, die unter normalen Umständen Feinde wären. Auch steht er für die Öffnung der eigenen Grenzen, Toleranz und Verzeihen. Wichtige Motive.
Doch war das die Absicht des Autors Daniel P. Mannix, der das Original The Fox and the Hound (dt. Fuchsspur) 1967 veröffentlichte?
Dem Instinkt folgen
An das Original rankommen zu wollen, brachte zunächst einige Schwierigkeiten mit sich. Offensichtlich nur mit wenigen Auflagen versehen, schien es zunächst unmöglich, das Buch zu lesen, will man das Ganze nicht digital erleben. Das englische Taschenbuch war für mehr als 900 Euro kaum erschwinglich, Fuchsspur im deutschen nicht auffindbar. Dennoch nenne ich mittlerweile eine dieser Raritäten mein Eigen und hege es, wie eine Füchsin ihre Welpen.

Fuchsspur wurde mit einem völlig Disney-gegensätzlichen Untertitel versehen: Geschichte einer Feindschaft. Also nichts mit grenzensprengender Freundschaft? Nein. Denn Fuchsspur beleuchtet abwechselnd das Leben des Jungfuchses Todd und des gediegenen Schweißhundes Copper (schweißen bedeutet im übrigen in der Jägersprache bluten, es ist also ein Bluthund).
Moment, Todd und Copper? Richtig. Direkt zu Beginn fällt auf, dass die Namen geändert wurden. Nachdem ich den Film noch einmal gesehen habe, fiel mir gleich noch mehr auf, denn: Cap und Capper existieren nur im deutschen. (Funfact: Im Niederländischen hören die beiden Tiere übrigens auf die wohlklingenden Namen Frank und Frey. Nun ja.) Im Englischen blieb man zumindest bei der leicht veränderten Schreibweise Tod, und Copper blieb, wer er war: Copper. Eigentlich schade, dass die Namen geändert wurden, bedeutet Todd im altenglischen doch nichts anderes als Fuchs.
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Der Welpe, der zitternd in der nun offenen Röhre lag, hörte die fürchterlichen Geräusche des Kampfes über sich: das wütende Knurren der Hunde, kurz bevor sie die Fähe packten, das Fauchen und Jaulen seiner sich wehrenden Mutter, das Schreien der Männer und schließlich die gutturalen, würgenden Laute, als die Hunde die Fähe an der Kehle packten und töteten.
(Fuchsspur | S.39)![]()
Man begleitet die beiden nun also abschnittsweise in ihrem Leben. Dabei liest sich die Geschichte wie eine gut geschriebene Dokumentation von BBC. Hervorragend recherchiert und beobachtet, taucht man ein in das Leben voll Abenteuer und Gefahr, dass sich einem jungen Fuchs eröffnet. Man erfährt, wie diese wunderbaren Geschöpfe lernen zu jagen, wie sie spielen, Gefahren erkennen und ihren Feinden ein Schnippchen schlagen. Dabei kommt das gesamte Buch ohne jegliche wörtliche Rede aus, man muss also keine Angst haben, am Ende in einer kitschigen Tiergeschichte zu landen.
Todd, als Welpe von einem Menschen gerettet und zusammen mit einem Hund aufgewachsen, lernt nie völlig den Menschen zu fürchten. Er verärgert die Jagdhunde eines nahen Jägers, die sich in wildem Gebell auf ihn stürzen wollen. Einer kann sich losreißen und stürzt hinter Todd her. Ähnlich wie bei Disney gerät Chief dabei unter die Räder eines herannahenden Zuges – und stirbt. Das ist der Punkt, an dem der Jäger Rache für seinen Hund schwört. Copper hingegen nimmt den Tod des rivalisierenden Hundes eher gelassen hin. Die Feinschaft der beiden rührt, wenn überhaupt, von seinem Instinkt und der Loyalität seinem Herrn gegenüber her, nicht von unabdingbarem Groll. Copper ist ein Jagdhund und er lebt für diese Aufgabe mit allen seinen Sinnen.

Im Laufe der Geschichte lernt man als Leser den Menschen fürchten, der sich auf immer gerissenere Art und Weise der Natur und ihrer Bewohner annimmt, sie verändert und schließlich komplett zerstört. Es wird auf dokumentarische Weise geschildert, wie der Mensch die Heimat des Fuchses, der Mäuse und Kaninchen bevölkert und sie so zwingt, sich zurückzuziehen, und wie er sie schließlich krank macht und beinahe ausrottet. Das Ende ist dramatisch, so sehr, dass es einen Moment des Innehaltens brauchte, um darüber hinwegzukommen.

Ich kann verstehen, dass man dieses Buch nicht eins zu eins übernehmen wollte und konnte. Denn Disneyfilme stehen für familiengerechte Unterhaltung, nicht für die brutale Wirklichkeit. Dennoch finde ich es bemerkenswert, dass die Aussage des Buches beinahe ins Gegenteil verkehrt wurde, und außer den äußerlichen Rahmenbedingungen – Fuchs und Hund treffen aufeinander – nichts mehr übereinstimmt.
Hat beides seine Relevanz?
Auf jeden Fall. Während der Film die Möglichkeit der Freundschaft auch außerhalb der eigenen Grenzen aufzeigt, beleuchtet das Buch die zuckerfreie Wirklichkeit. Eine Dokumentation der Natur, die unglaublich viele Details mit sich bringt, bei denen man nur staunen kann. Im Nachwort erklärt Daniel P. Mannix, dass er selbst zwei Füchse auf seinem Grund und Boden hatte, die er täglich bei ihren Streifzügen beobachten konnte. Ob nun dennoch manches erdacht ist in der Geschichte oder nicht, spielt kaum eine Rolle. Das Buch ist wirklich lesenswert, an einigen Stellen spannender als so mancher Thriller und doch immer nah an der Realität. Ich hoffe, eines Tages findet sich ein Verlag und entdeckt diese Geschichte wieder neu, so dass mehr Menschen in den Genuss des Buches kommen, dass für Cap und Capper Pate stand.
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Mehr Naturrealismus in Büchern erwünscht? Der letzte Eskimobrachvogel von Fred Bodsworth ist ebenfalls eine mitreißende Erzählung, direkt aus der Natur, ganz ohne Kitsch und Zuckerguss.
Mehr Beiträge zu dieser Reihe gibt es hier:
Cap & Capper: Fuchs und Hund – Freunde oder Feinde?
101 Dalmatiner: Wertvoll gepunktet
Dumbo: Ich hab viel gesehen auf dieser Welt, …!
Bambi: Von Reh zu Hirsch
Aladdin: Der ungeschliffene Diamant
Arielle: Unter dem Meer
Robin Hood: Im wilden Sherwood Forest
Das Dschungelbuch: Dschungelgeschichten

![[The Story Behind] Fuchs und Hund – Freunde oder Feinde?](https://buchperlenblog.com/wp-content/uploads/2019/03/the_story_behind.jpg?w=1000)





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