[The Story Behind] Von Sumpfprinzen und falschen Prinzessinnen

Liebste Bücherwürmer!

Ich bin ein Mensch, dessen Kindheit von Trickfilmen der besonderen Art geprägt war. Ich wuchs auf mit dem Wissen, an jedem Weihnachtsfest einen weiteren Film über kleine und große Helden, mit viel Gesang und einer guten Prise Herzschmerz dem stetig wachsenden Repertoire heimischer Videokassetten hinzufügen zu können. Die Rede ist – selbstverständlich – von Disney.

Auch heute schaue ich mir die liebgewonnenen Geschichten gerne immer und immer wieder an, singe aus vollem Hals mit und weine um die Verlorenen. Doch mich interessieren nun die Geschichten, die dahinterstecken. Welches Buch war ausschlaggebend für welchen Film? Und wie wurde die Geschichte umgesetzt? Dem möchte ich in dieser Beitragsreihe nachgehen. Werfen wir einen Blick hinter die Kulissen, suchen wir gemeinsam The Story Behind.

Küss den Frosch

Lass dich nicht auf Voodoo ein

Mit Küss den Frosch als 49. abendfüllender Zeichentrickfilm kehrte das Disney Studio im Jahr 2009 kurzzeitig zurück zur alten Tradition des handgezeichneten Meisterwerks. Meiner Ansicht nach ist es unglaublich schade, dass man heute nicht mehr auf die zeichnerischen Fähigkeiten setzt, da sie den Filmen immer etwas ganz besonderes gegeben haben, was man so in den computeranimierten Filmen einfach nicht mehr findet.

Küss den Frosch ©Disney

Unsere Geschichte spielt in New Orleans in den goldenen 20ern. Die Stadt erstrahlt in bunten Farben, die Musik ist wunderbar schmissig und vor allem jazzlastig. Tiana ist die erste wirklich dunkelhäutige Disneyprinzessin – auch wenn sie gar keine Prinzessin ist. Was vor allem unserem Prinzen – pardon, unserem Froschkönig – gehörig auf die Plattfüße fallen wird.

Tianas Vater träumte sein Leben lang von einem eigenen Restaurant, und gab diesen Traum nach seinem Tod an seine Tochter weiter. Während Tianas Freundin Charlotte dank ihres reichen und weichherzigen Vaters alles bekommt, was sie sie wünscht, muss Tiana hart arbeiten, um sich ihren Traum zu erfüllen. Als Charlottes Vater zum König des Mardi Gras ausgerufen wird, gibt er für Charlotte einen Maskenball, bei dem sie hofft, endlich ihren Prinzen kennenzulernen. Die Wahl fällt dabei ungesehen auf den schneidigen Prinz Naveen, der jedoch völlig pleite und außerdem alles andere als heiratswillig daherkommt. Doch bevor Charlotte und Naveen überhaupt aufeinander treffen, lässt dieser sich auf den Schattenmann Dr. Facilier ein – für mich einer der amüsantesten Bösewichte im Disneyuniversum! Dieser verwandelt nun also unser Prinzchen in einen grünen Hüpfer, während sein etwas trotteliger Diener Lawrence die Gestalt des Prinzen annimmt.

„Ich nehm´ mal an, Du bist ein Prinz?“
„Küss´ mich und find´s heraus!“

(Küss den Frosch)

Auf dem Maskenball treffen nun endlich Frosch-Naveen und Tiana aufeinander. Da sie als Prinzessin verkleidet erscheint, wähnt sich Naveen im Recht, einen Kuss einzufordern um sich sogleich zurückzuverwandeln, ganz wie im bekannten Märchen. Doch ach, stattdessen wird Tiana selbst zum Frosch und so beginnt eine Reise durch die Sümpfe des Bajou, die dank des trompetespielenden Krokos Louis und dem amourösen Glühwürmchen Ray zu einem fabelhaften Abenteuer voll Licht und Musik wird. Auch Mama Odie, die Sumpfhexe, hat es in sich, auch wenn sie eher an eine etwas schrullige Großmutter erinnert. Und natürlich hat unser Schattenmann auch noch ein Wörtchen mitzureden, denn schließlich steckte hinter der Froschverwandlung ein Plan, den er sich nicht kaputtmachen lassen will.

Das Ganze hat ein wunderbar mitreißendes Temperament, bei dem es um Selbstfindung geht, darum, wer man im Herzen wirklich ist und was man erreichen kann, wenn man an seine Träume glaubt. Ziemlich viel, was Disney da aus unserem Froschkönig gemacht hat, hm? Oder kam da etwa schon jemand anderes auf den Gedanken?

Esmeralda, Froschprinzessin

Wer kannst du sein?

Tatsächlich hat sich Disney nicht am Grimmschen Original des Froschkönigs gütlich getan, sondern an der Geschichte Esmeralda, Froschprinzessin von E.D. Baker. Dieses 2002 erschienene Kinderbuch ist keine reine Märchenadaption, aber hat sich eindeutig vom Froschkönig inspirieren lassen.

Wir finden uns in einem nicht näher geschilderten Königreich wieder. Die vierzehnjährige Esmeralda ist eine waschechte Prinzessin – auch wenn sie sich partout nicht wie eine benimmt. Viel lieber verbringt sie ihre Tage im nahegelegenen Sumpf, beobachtet die Natur und übt sich in unprinzessinnenhaften Gebärden. Auch ihrer Tante Grassina schaut sie gern bei ihrem Hexenwerk zu. Nur das mit dem selber zaubern, das klappt nicht so, wie es sollte. Als sich Besuch des hochnäsigen Prinz Jorge ankündigt, verschwindet Esmeralda in den Sumpf – und trifft dort auf einen sprechenden Frosch, der sie nach einem Kuss fragt. Doch so leicht macht Esmeralda es dem Frosch, der sich als Prinz Eadric vorstellt, nicht. Doch schließlich gibt sie nach, küsst ihn – und ohweh!, wird selbst zur Fröschin.

Schon als kleines Mädchen war ch der Überzeugung gewesen, dass der Sumpf ein verzauberter Ort war, wo neues Leben begann und altes endete, wo Feinde und Helden sich nie so verhielten, wie man es sich vorstellte, und wo die wunderbarsten Dinge geschehen konnten – selbst einer tollpatschigen Prinzessin.

(Esmeralda, Froschprinzessin)

Eadric erzählt, dass er von einer alten Hexe tief im Sumpf verwandelt wurde, weil er etwas unfreundliches über ihr Aussehen gesagt hätte. Doch nun ist er reumütig und hofft darauf, dass diese Hexe ihn und auch Esmeralda zurückverwandeln kann. Die Freundschaft zwischen den beiden Fröschen entwickelt sich ähnlich langsam und durch genauso viele schnippische Bemerkungen wie in der Disneyversion, was ich außerordentlich gelungen fand. Denn nur, weil man plötzlich und vor allem gezwungenermaßen gemeinsam auf eine Reise geht, muss man sich schließlich nicht gleich mögen oder gar verlieben.

Der Plan geht schief, die Hexe ist scheinbar tot und die neue Hexe kann nicht nur nicht zaubern, sie sperrt die beiden Frösche auch noch in einen Käfig ein, um ihnen für einen späteren Zauberversuch die Zungen herauszuschneiden. Mit List und Tücke (und ein wenig Magie!) gelingt es Esmeralda, sich, den Prinzen und einiges anderes Getier von der Hexe zu befreien. Nun schließen sich eine aufgescheuchte Fledermaus (die sich bei Disney in dem liebenswerten Ray wiederfindet) und eine bedrohlich wirkende, jedoch recht harmlose Schlange (Hallo, Louis!) den beiden Abenteurern an. Diese Reise führt nun zurück zum Königsschloss, denn ist Tante Grassina nicht schließlich auch eine Hexe und kann eventuell helfen?

Auch in diesem Buch liegt der Fokus nicht unbedingt darauf, wieder menschlich zu werden, sondern herauszufinden, wer man wirklich ist. Esmeralda entdeckt neue Stärken in sich und auch Prinz Eadric macht eine charakterliche Wandlung zum Positiven durch. Ein wenig streckt sich die Geschichte zwischen dem eigentlich recht dünnen Buchdeckeln, und der zentrale Bösewicht fehlt auch, aber ansonsten macht die Geschichte durchaus Spaß. Kennt man das, was Disney aus diesem Buch gemacht hat, so entdeckt man immer wieder Parallelen, findet Charaktere wieder, erkennt den Lauf der Geschichte.

Esmeralda, Froschprinzessin nahm sich den Froschkönig vor und wandelte ihn in etwas ganz eigenständiges. Mit viel Liebe zu den Charakteren schuf E.D. Baker ein modernes Märchen, was sich nicht hinter seinem Original zu verstecken braucht. Disney adaptierte die Adaption erneut, besserte an den richtigen Ecken nach und brachte damit einen der vielleicht coolsten Trickfilme aller Zeiten in meinen Augen heraus.


Disneys abendfüllende Zeichentrickfilme im direkten Vergleich zu ihren literarischen Vorlagen:
The Story behind.

Mehr Beiträge zu dieser Reihe gibt es hier:
Cap & Capper: Fuchs und Hund – Freunde oder Feinde?
101 Dalmatiner: Wertvoll gepunktet
Dumbo: Ich hab viel gesehen auf dieser Welt, …!
Bambi: Von Reh zu Hirsch
Aladdin: Der ungeschliffene Diamant
Arielle: Unter dem Meer
Robin Hood: Im wilden Sherwood Forest
Das Dschungelbuch: Dschungelgeschichten
Bernhard und Bianca: R-E-T-T-U-N-G
Schneewittchen: Spieglein, Spieglein, an der Wand
Die Eiskönigin: Völlig unverfroren adaptiert
Mulan: Vom Kampf der Geschlechter
Peter Pan: Auf ins Nimmerland!
Pocahontas: Das Farbenspiel des Winds
Alice im Wunderland: Ab durch den Kaninchenbau
Der Glöckner von Notre Dames: Der Narrenpapst
Die Hexe und der Zauberer: Das Schwert im Stein
Oliver und Co: Eine Katze unter Hunden
Basil, der große Mäusedetektiv: Von Mäusen und Detektiven
Pinocchio: Ein echter Junge?
Die Schöne und das Biest: Der äußere Schein trügt
Aschenputtel: Bibbidi-Bobbidi-Boo!
Hercules: From Zero to Hero

11 Comments on “[The Story Behind] Von Sumpfprinzen und falschen Prinzessinnen

  1. Liebe Gabriela,

    auch meiner Meinung nach eine von Disneys interessantesten Adaptionen und mit einer, wie es meist der Fall ist, herausragenden deutschen Synchronisation und Songs, die auf jeder Ebene mit den englischen Originalen mithalten können. In diesem Sinne, nach wie vor: Rest in Peace, Roger Cicero…

    Liebe Grüße
    Alina

    Gefällt 1 Person

    • Huhu Alina!
      Ich liebe die Musik des Films! Dadurch, dass hier weniger Tragik und mehr Schmiss in der Luft liegt, ist man eigentlich die ganze Zeit nur am Rumzappeln während des Filmschauens 😄

      Liebe Grüße!
      Gabriela

      Gefällt 1 Person

  2. Hallo meine Liebe,

    ich liebe diesen Film sehr und Dank dir weiß ich jetzt auch welche Geschichte Disney hier adaptiert hat. Vielen Dank für den mal wieder grandiosen Beitrag 🙂

    Meinst du es besteht vielleicht die Hoffnung, dass Disney irgednwann wieder zu dieser traditionellen Art des Zeichentrickfilms zurückkehrt. Quasi so wie auch Vinyl-Platten ihr Revival erleben? Das wäre einfach zu schön!

    Liebste Grüße
    Bella

    Gefällt 1 Person

    • Hallo liebste Bella! ♥
      Ich finde den Film auch super genial, der ganze Charme und Witz und die Musik und die Figuren – hach!

      Ich hoffe es sehr, dass sie sich auf ihre Wurzeln zurückbesinnen.Es gibt einem Film so viel mehr, als jedes noch so akkurat am Rechner erstellte Detail. Ein schöner Vergleich übrigens mit dem Vinyl – das gibt Hoffnung!

      Alles alles Liebe!
      Gabriela

      Gefällt 1 Person

      • Dann träumen und hoffen wir beide ganz fest und wer weiß, vielleicht geht dann unser Wunsch irgendwann in Erfüllung!

        Liebste Grüße
        Bella

        Gefällt 1 Person

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