Wenn aus Büchern Schätze werden.
Ich bin ein Mensch, dessen Kindheit von Trickfilmen der besonderen Art geprägt war. Ich wuchs auf mit dem Wissen, an jedem Weihnachtsfest einen weiteren Film über kleine und große Helden, mit viel Gesang und einer guten Prise Herzschmerz dem stetig wachsenden Repertoire heimischer Videokassetten hinzufügen zu können. Die Rede ist – selbstverständlich – von Disney.
Auch heute schaue ich mir die liebgewonnenen Geschichten gerne immer und immer wieder an, singe aus vollem Hals mit und weine um die Verlorenen. Doch mich interessieren nun die Geschichten, die dahinterstecken. Welches Buch war ausschlaggebend für welchen Film? Und wie wurde die Geschichte umgesetzt? Dem möchte ich in dieser Beitragsreihe nachgehen. Werfen wir einen Blick hinter die Kulissen, suchen wir gemeinsam The Story Behind.
Der Schatzplanet ist der 42. abendfüllende Zeichentrickfilm aus den Disneystudios. 2002 rief man zur großen Schatzsuche quer durchs Weltall auf – und scheiterte damit vollständig an den Kinokassen. Auch ich muss gestehen, dass sowohl Atlantis als auch Der Schatzplanet die beiden Disneyfilme sind, die ich bisher nie gesehen habe. Warum das so ist? Ich habe keine Ahnung, hat mir der Film nun doch sehr gefallen.
Der junge Jim Hawkins träumt davon, ein Raumfahrer zu werden und den Schatzplaneten des legendären Kapitän Flint zu finden, von dem ihm seine Mutter seit Kindertagen erzählte. Bis dahin ist es jedoch noch ein weiter Weg, und mehr als einmal gerät er bei seinen Spritztouren durch die Lüfte mit der Polizei in Konflikt. Eines Tages landet ein fremdes Raumschiff vor dem Gasthaus Benbow Inn, welches seiner Mutter gehört. Heraus kommt ein Pirat namens Billy Bones, der sowohl eine Schatzkarte wie auch eine Warnung für den Jungen hat: Hüte dich vor dem Cyborg!
Diese Schatzkarte weckt natürlich sofort das Interesse von Jim und die Tatsache, dass diese ihm den Weg zum Schatzplaneten von Flint weisen soll, bringt natürlich noch mehr interessante Spießbrüder auf den Plan. Doch zunächst wird ein Flugschiff gechartert, eine Crew angeheuert und in See – pardon, in die Luft! – gestochen.
„Ich kann dich gut leiden. Aber stell dich ja nicht zwischen mich und meinen Schatz!“
(Der Schatzplanet)
Die urige Besatzung, bestehend aus Jims Freund Dr. Doppler, sowie Katzen-Kapitänin Amelia, Mr. Arrows, natürlich Silver und einigen anderen fantasievollen Weltallmatrosen gibt auf jeden Fall ein schönes Bild ab. Dabei stellt man schnell fest, Schiffskoch Silver, ein Cyborg (sic!) und doch irgendwie recht väterlich zuweilen, scheint zwei Gesichter zu haben. Doch die Meuterei lässt nicht lang auf sich warten, und während der Schatzplanet immer näher rückt, rücken auch die Gefahren an Bord der RLS Legacy (was ausgeschrieben Robert Louis Stevensons Erbe bedeutet) immer näher.
Es kommt wie es kommen muss, die Gier der Piraten greift um sich, und wärend Kapitänin Amelia verletzt in einer Höhle auf dem Schatzplaneten untergebracht werden muss, liegt es nun in Jims Händen, alle heil aus diesem Abenteuer herauszuholen.
Besonders gefallen hat mir an diesem Film, wie liebevoll viele Details der literarischen Buchvorlage integriert wurden, angepasst an das futuristische Design und die etwas veränderte Geschichte – aber so auffallend, dass man sie kaum übersehen kann. Wobei mir der kleine Morphy am liebsten war, stellt er plappernd und nachahmend doch einen prima Ersatz für Silvers echten Papageien dar.
Doch wie war das denn nun eigentlich damals auf dem Schiff, auf dem Weg zur richtigen Schatzinsel?
1882 schrieb Robert Louis Stevenson seinen Abenteuerroman Die Schatzinsel, der ursprünglich als Jugendbuch gedacht war, allerdings sowohl junge Leser als auch Erwachsene gleichermaßen begeistert – und das bis heute!
Auch zu seiner Zeit kam die Piratengeschichte rund um Jim Hawkins und John Silver gerade recht. Ende des 19. Jahrhunderts, als die Fabriken immer mehr Fahrt aufnahmen, sehnten sich viele Menschen nach dem Gefühl der Freiheit, nach Abenteuern – und bekamen sie in Form einer geheimnisvollen Schatzkarte.
Stevenson hat maßgeblich dazu beigetragen, dass wir, wenn wir heute an Piraten denken, diese unweigerlich mit Schatzkarten voll schwarzer Kreuze und einsamen Inseln in Verbindung bringen und eine leicht romantisch verklärte Sicht auf diese Gesetzlosen hegen.
Doch worum geht es denn nun eigentlich? Die Familie Hawkins schlägt sich mit ihrem Gasthaus Admiral Benbow gerade so durch, als ein alter Pirat sich bei ihnen einnistet. Billy Bones zahlt mit Gold, doch auch als dieses aufgebraucht ist, verlässt er das Gasthaus nicht. Eines Tages erhält er zwielichtigen Besuch von einem offenbar früheren Schiffskumpan und fällt wenig später tot um. Seine Hinterlassenschaft? Eine Schifferkiste mit einigem Geld, Lumpen und einer legendären Schatzkarte. Diese führt zum großen Schatz des gefürchteten Kapitän Flint, und ist natürlich heiß begehrt in der Piratenwelt.
Mit den Gentlemen des Glücks ist es so: sie haben ein hartes Leben und riskieren den Strick, aber sie essen und trinken wie Kampfhähne, und wenn eine Kreuzfahrt zu Ende ist, na, dann haben sie Hunderte von Pfunden Sterling in ihrer Tasche statt ein paar hundert Pfennigen. Na, das meiste geht für Rum drauf und lustiges Leben. Dann gehen sie wieder zur See und haben bloß das Hemd auf dem Leibe.
(Die Schatzinsel)
Jim nimmt diese Karte an sich und setzt kurze Zeit später mit einem Squire, einem Doktor und einer illustren Mannschaft aus Seeleuten aller Art die Segel. Mit an Bord der zunächst durch und durch sympathisch wirkende Schiffskoch Long John Silver, dessen eines Bein an der Hüfte abgenommen wurde, und er sich mit einer großen Krücke fortbewegen muss. Er behandelt Jim väterlich, gibt ihm gute Ratschläge und scheint auch so ein ganz loyaler Kerl zu sein. Denkste!
Denn Long John Silver ist eigentlich der Rädelsführer einer Meuterei im Geheimen, die erst zum Tragen kommen soll, nachdem man mit Hilfe des Kapitäns die Schatzinsel ausfindig gemacht und die goldgefüllten Kisten bereits verladen hat. Doch die Gier der Piraten lässt auch hier nicht lang auf sich warten, und das ganze Unternehmen gerät aus den Fugen. Dabei ist es immer wieder Jim Hawkins, der mit seinen waghalsigen und nicht immer ganz durchdachten Aktionen schlussendlich dafür sorgt, dass die guten Leute des Schiffes am Ende doch noch mit heiler Haut nach Hause segeln können.
Bis dahin muss Jim jedoch auch feststellen, dass Silver zwei Gesichter zu haben scheint und eigentlich immer nur auf seine Bedürfnisse achtet. Während Disney gerade am Ende eine etwas andere Note einschlägt, sich Silver und Jim doch noch einmal fast familiär annähern, so bleibt der Schiffskoch im Buch doch undurchsichtig und ein windiger Scheisskerl, mit Verlaub.
Dieser Klassiker hat mir unglaublich viel Freude gemacht, denn nicht nur ist die Sprache passend und kaum gealtert (und ist es nicht sympathisch, wenn sich erwachsene Männer an Deck mit Jungens ansprechen?) auch ging ich gern mit den Matrosen an Bord, und vor allem auf gefährliche Schatzsuche.
Schade, dass der wenige Erfolg des Schatzplaneten bei Disney dazu führte, die große Ära der Zeichentrickfilme vorerst zu beenden und stattdessen auf kindgerechte CGI-Filme ohne großen Mehrwert zu setzen.
Disneys abendfüllende Zeichentrickfilme im direkten Vergleich zu ihren literarischen Vorlagen:
The Story behind.
Mehr Beiträge zu dieser Reihe gibt es hier:
Cap & Capper: Fuchs und Hund – Freunde oder Feinde?
101 Dalmatiner: Wertvoll gepunktet
Dumbo: Ich hab viel gesehen auf dieser Welt, …!
Bambi: Von Reh zu Hirsch
Aladdin: Der ungeschliffene Diamant
Arielle: Unter dem Meer
Robin Hood: Im wilden Sherwood Forest
Das Dschungelbuch: Dschungelgeschichten
Bernhard und Bianca: R-E-T-T-U-N-G
Schneewittchen: Spieglein, Spieglein, an der Wand
Die Eiskönigin: Völlig unverfroren adaptiert
Mulan: Vom Kampf der Geschlechter
Peter Pan: Auf ins Nimmerland!
Pocahontas: Das Farbenspiel des Winds
Alice im Wunderland: Ab durch den Kaninchenbau
Der Glöckner von Notre Dames: Der Narrenpapst
Die Hexe und der Zauberer: Das Schwert im Stein
Oliver und Co: Eine Katze unter Hunden
Basil, der große Mäusedetektiv: Von Mäusen und Detektiven
Pinocchio: Ein echter Junge?
Die Schöne und das Biest: Der äußere Schein trügt
Aschenputtel: Bibbidi-Bobbidi-Boo!
Hercules: From Zero to Hero
Küss den Frosch: Von Sumpfprinzen und falschen Prinzessinnen
Ich fand den Film nicht schlecht, aber irgendwie hat mir die Stimmung des Buches gefehlt. Das haben einige Realfilme/serien besser geschafft. Was genau bewirkt hat, dass es so gefloppt ist, verstehe ich allerdings dennoch nicht. Vielleicht war das Piratenthema gerade zu uninteressant.
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Das Buch ist auf jeden Fall ganz große Klasse und hat unglaublich Spaß gemacht zu lesen. Den Film fand ich auch gut, ganz anders, aber ich versteh was du meinst. Irgendwie fehlte etwas. Aber ich bin doch froh, diese Lücke nun geschlossen zu haben 😀
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Hallo Gabriela!
Vor kurzem haben wir uns einen Trailer zu „Der Schatzplanet“ angesehen und mir geht es wie dir, den und „Atlantis“ fehlen noch in meiner gesehenen Disney Filmen. Keine Ahnung warum das so ist.
Aber vielleicht holen wir das bald mal an einem Familienabend nach. 😀
Auf jeden Fall ist dein Beitrag wie immer sehr gelungen und mir hat „Die Schatzinsel“ auch ganz gut gefallen. 🙂
Liebe Grüße
Diana
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Huhu Diana!
Ja da bin ich ja fast froh, dass es bei dir auch so ist 😄 dabei sind die Geschichten ja nicht verkehrt und auch Atlantis als Thema interessiert mich durchaus sehr. Es lohnt sich also, da mal reinzuschauen =)
Alles Liebe!
Gabriela
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Ahoi liebe Gabriela,
danke für diese Vorstellung! Ich bin ja kein großer Disney Fan aber aus Gründen (:D) habe ich mit diesem Film schon geliebäugelt; jetzt steht der Entschluss fest!
Liebe Grüße
Ronja von oceanloveR
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Mmmmmh welche Gründe DAS wohl gewesen sein mögen 😀 Ich wünsche dir viel Vergnügen auf dem Schatzplaneten =)
Liebe Grüße!
Gabriela
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hmmmm, grübergrübel 😀
Und danke, ich werde berichten 😉
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Meine liebste Gabriela! ❤
Man lernt eben doch niemals aus! Als Kind war ich ein enorm großer Fan von Stevensons Schatzinsel, das Hörspiel dazu lief damals im Kinderzimmer rauf und runter (das gab's noch als Schallplatte :D) – aber dass es eine Disney-Adaption dazu gibt, die gleichzeitig im Weltraum spielt, wusste ich bis jetzt nicht. Der Schatzplanet war mir bis jetzt in der Riege der Disneyfilme gänzlich unbekannt – danke, dass du diese Wissenslücke geschlossen hast und sich ein weiterer Film auf meiner To-Watch-List befindet. 😉
Allerliebste Grüße,
Ida ❤
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Liebste Ida! ❤️
Es ist doch super erstaunlich, wie vielen der Film unbekannt ist! Wieso, frage ich mich da. Zeichnerisch ist er gut, er hat eine berühmte Vorlage – schon seltsam.
Allerliebste Grüße zurück ❤️
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