[King-Universum] Blut – Skeleton Crew

Werbung | Autor: Stephen King | Titel: Blut / Skeleton Crew |
Übersetzung: Alexandra v. Reinhardt |
Erscheinungsdatum: 1985 | Verlag: Heyne |
896 Seiten | Genre: Kurzgeschichten |

Bewertung: 4.5 von 5.

Im gleichen Moment spürte ich, wie Steff in meinem Arm ganz steif wurde, und ich sah es selbst:
die Harrison-Seite des Sees war verschwunden. Sie war unter grellweißem Nebel begraben wie unter einer vom Himmel gefallenen Schönwetterwolke.

(aus Der Nebel)

Inhalt

Egal ob als Sammelband mit dem Namen Blut, oder wie in meinem Fall in drei Einzelbänden namens Im Morgengrauen, Der Gesang der Toten und Der Fornit – Stephen King hat hier einmal mehr sein Können im Bereich der Kurzgeschichten unter Beweis gestellt!

Rezension

Vom Schaurig-Schönen

Im Morgengrauen

In diesem Buch haben wir eine wohlbekannte Geschichte als Aufhänger: Der Nebel. Vermutlich kennen die meisten von euch die Film – oder Serienadaption dieser Kurzgeschichte, die mit knapp 200 Seiten wohl eher eine ausgewachsene Novelle darstellt. Hier verfolgen wir den Familienvater David Dayton und seinen fünfjährigen Sohn dabei, wie sie aus der Sommeridylle am See hineingezogen werden in ein nicht endendes Chaos aus Nebel und urzeitlichen Riesenmonstern. Was der Auslöser für diese Katastrophe ist, das können wir nur mutmaßen. Ein fehlgeschlagenes Experiment? Ein Riss in den Welten? Voller Angst werden die beiden zusammen mit rund 80 anderen Menschen in einem Supermarkt zusammengepfercht, denn raus in den Nebel zu gehen, bedeutet nichts anderes als den Tod. Riesige, kraftvolle Tentakel warten darauf, die Menschen zu zerdrücken, ätzende Spinnenfäden schneiden sich durch Stoff und Haut wie ein gut geschärftes Fleischermesser. Gibt es ein Entrinnen – oder ist die gesamte Welt betroffen? Einzig die Eigenart meiner Übersetzung, statt King-typisch Mommy und Daddy zu verwenden, mit Mutti und Vati zu glänzen, brachte mich immer wieder aus dem Konzept und bescherte mir als konsequente Mama-Sagerin einige Bullerbü-Momente.

Doch auch andere Geschichten in diesem Band wissen zu überzeugen. Da hätten wir den Mann, der niemandem die Hand geben wollte, und dem ein Pokerspiel mit Fremden zum Verhängnis wird. Oder der Schuljunge, der nur mal eben auf die Toilette wollte und sich dort einem lauernden Tiger gegenüber sah. Und auch die etwas schrullig bezeichnete Geschichte namens Omi hat es atmosphärisch in sich. Ein Junge wird mit seiner totkranken Omi allein zuhause gelassen, voller Angst, wann sie nach ihm rufen und ihn umarmen wollen würde. King versteht es hier grandios, die Angst des Kindes zu veranschaulichen und hätte nicht in dem Moment die Sonne geschienen, ich hätte sicherlich ebenso viel Angst vor der alten Dame gehabt wie er.

Der Gesang der Toten

Die Geschichte, auf die ich in diesem Band am meisten gespannt war, ist wohl Das Floß. Von mehreren Seiten wurde ich vorher bereits darauf aufmerksam gemacht, wie gut diese Geschichte ist und wie erschreckend und am Ende war sie gut und erschreckend, aber der Protagonist erschien mir doch ein wenig dumm. Er hätte doch …! Es geht um vier junge Leute, zwei Mädels und zwei Kerle, die dem Sommer Lebewohl sagen wollen. Sie fahren raus an einen See und schwimmen noch ein letztes Mal zum Floß, auch wenn das Wasser bereits herbstlich kalt ist. Doch ein seltsamer schwarzer Fleck auf dem Wasser weckt bald ihre Aufmerksamkeit, bald noch mehr, als Rachel von ihm angegriffen und tatsächlich Stück für Stück aufgefressen wird. Eine gruselige Vorstellung, allein auf dem Wasser zu sein, und keine Chance zur Flucht. Moment, die gab es schon, mehrfach sogar. Denn jedes Mal, wenn einer der Jugendlichen zum Opfer wird, hätte sich der Rest retten können, doch irgendwie tat das keiner. Ein wenig prosaisch, ich weiß, aber dennoch!

Tatsächlich gefielen mir einige andere Geschichten in diesem Band da deutlich besser. Zum Beispiel der titelgebende Gesang der Toten, eine Geschichte über vergangene Leben, den Tod und das, was uns am Ende möglicherweise erwartet. Hier zeigt King, dass er nicht nur gruselig kann, sondern auch sehr einfühlsam in die Seelen der Menschen blickt und ihre Wünsche und Ängste offen darlegen kann. Auch Mrs. Todds Abkürzung war ein enormer Lesespaß, findet sie doch (und im Herzen war ich hier wieder beim dunklen Turm angelangt) verborgene Nebenstraßen, die die Welt wurmlochartig verbinden und seltsame Dinge aus Parallelwelten zutage fördern.

Der Fornit

In diesem Band bildet die Geschichte Der Fornit titelgebend auch das Kernstück des Buches. Ein ehemaliger Redakteur beschreibt seine letzten Wochen als solcher bei einer renommierten New Yorker Zeitung. Als er die Kurzgeschichte eines berühmten Schriftstellers annimmt und abdrucken will, gerät er zunächst in einen kleinen persönlichen Briefwechsel mit diesem. Schnell zeigt sich, dass der Autor sich einzubilden scheint, dass ein kleines Wesen in seiner Schreibmaschine haust und ihm dabei hilft, seine Gedanken zu Papier zu bringen. Außerdem scheint er eine gewisse Aversion gegen Elektrizität entwickelt zu haben. Und auch unser Redakteur lässt sich langsam aber sicher hineingleiten in diese Vorstellungen, ertränkt seinen Alltag zunehmend in Alkohol und riskiert damit Leib und Seele. Der Fornit beschreibt im Grunde eine Abwärtsspirale der geistigen Gesundheit und konnte mich damit durchaus für sich einnehmen.

Auch andere Geschichten bleiben im Gedächtnis, neben einem Textcomputer (hey, wir schreiben immerhin die 80er Jahre!), der Dinge herbeizaubern und auch wieder verschwinden lassen kann, war ein unheimlicher Affe mit Zimbeln wohl der größte Graus für mich. Denn dieser Affe kommt immer wieder zurück, und wenn er mit seinen Zimbeln schlägt, dann verliert jemand sein Leben. Ganz schön grässliche Vorstellung, nicht wahr?

Übrigens: Einige dieser Geschichten spielen in und um Castle Rock, und natürlich treffen wir hier immer wieder auf Andeutungen zu anderen Büchern Kings. Neben der Erwähnung Cujos ist es Ace Merrill, dem wir in Nona immer wieder begegnen, der uns bereits in der Kurzgeschichte Die Leiche drangsalierte und bald schon In einer kleinen Stadt für Furore sorgen wird (übrigens ein reRead, auf den ich mich ganz besonders freue).

Fazit

Eine wirklich gelungene Kurzgeschichtensammlung mit vielen unterschiedlichen Herangehensweisen, nicht immer nur gruselig, sondern auch durchaus tiefgründiger.

Bewertung im Detail

Idee ★★★★☆ ( 4 / 5 )

Handlung ★★★★☆ ( 4 / 5 )

Charaktere ★★★★★ ( 5 / 5 )

Sprache ★★★★★ ( 5 / 5 )

Emotionen ★★★★★ ( 5 / 5 )

= 4.6 ★★★★★

weitere Meinung

Powerschnute | Lesenmachtglücklich

schnörkel

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5 Comments on “[King-Universum] Blut – Skeleton Crew

  1. Moin,

    die meisten dieser Bände habe ich in den Neunzigern gelesen (oder jedenfalls nicht sehr viel später), an Mrs. Todds Abkürzung erinnere ich mich aber noch sehr, sehr gut! Eine super Story.

    Viele Grüße, Yvonne

    Gefällt 1 Person

    • Huhu Yvonne!
      Wenn dir eine Kurzgeschichte über so einen langen Zeitraum im Gedächtnis bleibt, dann spricht das auf jeden Fall sehr für diese! 🙂 Mich hat die VOrstellung auf jeden Fall fasziniert, welcfh verborgene Wege sich vielleicht irgendwo verbergen könnten.

      Liebe Grüße!
      Gabriela

      Like

  2. Pingback: Rückblick auf den Mai – Buchperlenblog

  3. Pingback: [Projekt Stephen King]: Skeleton Crew – Lesen macht glücklich

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