Liebste Bücherwürmer!
Ich bin ein Mensch, dessen Kindheit von Trickfilmen der besonderen Art geprägt war. Ich wuchs auf mit dem Wissen, an jedem Weihnachtsfest einen weiteren Film über kleine und große Helden, mit viel Gesang und einer guten Prise Herzschmerz dem stetig wachsenden Repertoire heimischer Videokassetten hinzufügen zu können. Die Rede ist – selbstverständlich – von Disney.
Auch heute schaue ich mir die liebgewonnenen Geschichten gerne immer und immer wieder an, singe aus vollem Hals mit und weine um die Verlorenen. Doch mich interessieren nun die Geschichten, die dahinterstecken. Welches Buch war ausschlaggebend für welchen Film? Und wie wurde die Geschichte umgesetzt? Dem möchte ich in dieser Beitragsreihe nachgehen. Werfen wir einen Blick hinter die Kulissen, suchen wir gemeinsam The Story Behind.
Aladdin
Ein Märchen aus dem Orient?
1992 erblickte Aladdin als 31. abendfüllender Zeichentrickfilm das Licht der disneyschen Leinwand. Dieser Film vereint sowohl die Sehnsucht nach fernen Ländern, großer Liebe und eine gehörige Portion Mut, Witz und Magie miteinander und zählte schon immer zu meinen persönlichen Lieblingen.

Hach. Ich gebe es offen und ehrlich zu: Die Geschichte rund um den Straßendieb Aladdin mit dem dunklen Wallehaar und den großen Augen begleitet mich schon sehr, sehr lang und ist tief in meinem Herzen verankert. Als Kind war ich wohl ein klein wenig verliebt, sowohl in den Trickfilmhelden als auch später im Hamburger Musical. Dieser ungeschliffene Diamant, der das Herz der wunderschönen Prinzessin Jasmin erst auf falschem und später auf ehrlichem Weg zu gewinnen versucht, begeistert mich einfach. Dabei spielen die mitreißenden Lieder vermutlich eine ebenso große Rolle wie das Szenenbild, die herrlichen arabischen Basare, Palastmauern und bunten Kleider.
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Vertraust du mir?
(Aladdin)![]()
Mit Hilfe des Dschinnis aus der Wunderlampe wird aus dem Straßenjungen ein Prinz, der für seine Liebe am Ende über sich hinauswachsen wird. Natürlich war ich hellauf begeistert, als die Neuverfilmung in die Kinos kam! Und, was soll ich sagen: Ich find sie großartig! Da kam direkt die alte Schwärmerei wieder hoch und die neuen und alten Lieder summen stetig in meinem Kopf wie ein wilder Schwarm Bienen.
Was also läge näher, als einmal einen Blick in das Märchen zu werfen, das für so zauberhafte Stunden verantwortlich ist?
Der ungehobelte Dieb

Ich muss ehrlich sein, bereits die ersten Zeilen riefen bei mir ein wenig Verwirrung hervor, die sich auch bis zum Ende hin nicht mehr abschütteln ließ. Doch schaut einmal selbst:
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Da lebte einmal in einer chinesischen Königsstadt ein Schneider namens Lutschu, dem seine Nadel so wenig einbrachte, dass er seine Frau und sein Kind nur kümmerlich ernähren konnte. Dieses Kind war ein Knabe, hieß Aladin und machte seinen Eltern durchaus keine Freude. Er war ungehorsam, faul, zu boshaften Streichen aufgelegt, und als er etwas herangewachsen war, trieb er sich den ganzen Tag in Gesellschaft von Jungen seines Gelichters auf den Straßen umher.
(Aladin und die Wunderlampe | S. 5)
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Man möge mir verzeihen, aber diese drei Sätze brachten mich beinahe dazu, das Buch erbost zu schließen und nie wieder anzurühren. Mein Aladin, ein gemeiner Kerl, ein Tunichtgut, der seine Eltern ärgert und schlussendlich sogar dafür verantwortlich ist, dass sein Vater aus Gram stirbt? Und, Moment. In einer chinesischen Königsstadt lebt? Dahin das Bild des großäugigen Wüstensohnes. Natürlich war mir vorher schon bewusst, dass Disney nun einmal Geschichten nimmt und ihnen ein völlig anderes Aussehen gibt, doch hier geriet ja wohl so einiges durcheinander.

Nun gut, egal, begeben wir uns also ins chinesische Königreich und schauen dem jungen Aladin dabei zu, wie er sich des Lebens erfreut, ohne einem Handwerk nachkommen zu wollen. Da entdeckt ihn eines Tages auf der Straße beim Spiel mit Freunden sein sogenannter Oheim, oder zumindest einer, der sich für den Leichtgläubigen so ausgibt. Auch die Mutter spürt keine Gefahr von ihm ausgehen, lädt ihn ins Haus ein und bewirtet ihn, so gut es geht. Im Gegenzug erschleicht sich dieser Fremde das Vertrauen Aladins und nimmt ihn mit auf eine Reise in eine Talschlucht. Hier nun liegt verborgen eine Höhle unter der Erde, und nur Aladin darf sie betreten.
Auch diese Höhle ist gesäumt von Gold und Silber, das niemand anrühren darf. Doch in der zweiten Höhle hängen bunte Edelsteine an Bäumen und von denen darf der Junge nehmen, so viel er will. So findet er schließlich die Lampe, füllt sich die Taschen mit den erlaubten Edelsteinen und tritt den Rückweg an. Doch ähnlich wie bei dem Großwesir Jafar wird ihm auch der Oheim die helfende Hand verweigern und so bleibt Aladin mit dem Schatz, der Lampe und einem Ring am Finger in der dunklen Höhle zurück.
Zwei Dschinnis
Anders als bei Disney verfügt unser chinesischer Aladin über mehr als einen Dschinni aus der Wunderlampe. Denn auch dem Schutzring, den er vor Betreten der Wunderhöhle bekam, wohnt ein Geist inne. Dieser hilft genauso selbstlos wie derjenige aus der Lampe, wobei niemals eine Beschränkung der Wünsche fällt. Und Aladin hat viele Wünsche im Laufe seines Abenteuers, bei dem er auch hier das Herz der Prinzessin erobern möchte, doch dabei weitaus unromantischer vorgeht. Auch scheint die Prinzessin glücklich, einfach einen Prinzen zu heiraten, der ihr einen eigenen Palast gegenüber des Väterlichen bauen lassen kann. Der Zauberer-Schrägstrich-Oheim vom Beginn fehlt lange Zeit, erinnert sich erst spät an den Zurückgelassenen und seine Lampe und versucht, sich zwischen Aladin und sein Glück zu schieben.
Original oder Fälschung?
Alles in allem ist das orientalisch-chinesische Märchen nicht schlecht, immerhin beflügelte es die Fantasie der Disney-Zeichner zu einem exorbitant bunten, fröhlichen, mitreißendem Film. Doch hier kann das Original einfach nicht mithalten, es verblasst vor der arabischen Kulisse, es schlurft dahin und behält immer diesen schalen Beigeschmack des ungehobelten Straßenjungen bei.
Und zum Abschluss noch ein kleiner Ohrwurm für unterwegs …
Flieg mit mir um die Welt
Sie gehört dir, Prinzessin ….

Disneys abendfüllende Zeichentrickfilme im direkten Vergleich zu ihren literarischen Vorlagen:
The Story behind.
Mehr Beiträge zu dieser Reihe gibt es hier:
Cap & Capper: Fuchs und Hund – Freunde oder Feinde?
101 Dalmatiner: Wertvoll gepunktet
Dumbo: Ich hab viel gesehen auf dieser Welt, …!
Bambi: Von Reh zu Hirsch
Aladdin: Der ungeschliffene Diamant
Arielle: Unter dem Meer
Robin Hood: Im wilden Sherwood Forest
Das Dschungelbuch: Dschungelgeschichten

![[The Story Behind] Der ungeschliffene Diamant](https://buchperlenblog.com/wp-content/uploads/2019/03/the_story_behind.jpg?w=1000)





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