[The Story behind] Holy Halloween!

Liebste Bücherwürmer!

Ich bin ein Mensch, dessen Kindheit von Trickfilmen der besonderen Art geprägt war. Ich wuchs auf mit dem Wissen, an jedem Weihnachtsfest einen weiteren Film über kleine und große Helden, mit viel Gesang und einer guten Prise Herzschmerz dem stetig wachsenden Repertoire heimischer Videokassetten hinzufügen zu können. Die Rede ist – selbstverständlich – von Disney.

Auch heute schaue ich mir die liebgewonnenen Geschichten gerne immer und immer wieder an, singe aus vollem Hals mit und weine um die Verlorenen. Doch mich interessieren nun die Geschichten, die dahinterstecken. Welches Buch war ausschlaggebend für welchen Film? Und wie wurde die Geschichte umgesetzt? Dem möchte ich in dieser Beitragsreihe nachgehen. Werfen wir einen Blick hinter die Kulissen, suchen wir gemeinsam The Story Behind.

The Nightmare before Christmas

Oh grauslig schönes Weihnachtsfest!
The Nightmare before Christmas ©Disney

Passend zur Jahreszeit machen wir heute einen Ausflug zu Tim Burtons grandios schrill-schrägem Halloween Crossover The Nightmare before Christmas! Tim Burton arbeitete an einigen der Disney Klassiker wie etwa Cap und Capper mit, zeichnet sich in seinen eigenen Werken allerdings eher mit schrägen Welten und Figuren aus, die sich nicht selten mit den Themen Tod und einem Leben danach auseinandersetzen. Also eigentlich genau das, was Disney in seinen Zeichentrickfilmen eher meidet. Dass der Film schlussendlich von den Disneystudios in Angriff genommen wurde, lag übrigens nur daran, dass Tim Burton die Idee seines Jack Skellington während seiner Zeit bei Disney entwickelte und diese vertraglich alle Ideen, die während des Arbeitsverhältnisses entstanden, als ihre eigenen betrachten.

The Nightmare before Christmas kam 1993 als Stop-Motion-Film auf die große Leinwand und sorgt – vermutlich nicht nur bei mir – alljährlich für die große Frage: Ist das nun ein Halloweenfilm, oder etwas für Weihnachten?

Wir müssen Jack suchen, uns bleiben nur noch 365 Tage bis Halloween!

(The Nightmare before Christmas)

Jack Skellington, ein dürres Skelett und der Herr des Kürbisfestes, ist es leid, Spuk an Halloween zu verbreiten. Jedes Jahr dieselbe Leier, immer nur Boo hier, Boo da – was gibt es denn noch? Mit seinem Geisterhund Zero wandert er durch den Wald und findet sich plötzlich vor einigen Bäumen wieder, die allesamt seltsam anmutende Türen haben. Ein Herz, ein Osterei … ein geschmückter Tannenbaum? Eh er sichs versieht, landet Jack im Weihnachtsland und findet endlich das Gefühl, dass er so lange vermisst hat: Freude.

Nach einigem Hin und Her kann er die Spukgesellschaft seines Reiches dazu überreden, ein Weihnachtsfest auszurichten – allerdings auf ihre ganz eigene Weise. Nur Sally, eine zusammengeflickte und zum Leben erweckte Stoffpuppe hat ihre Zweifel am Plan Jacks. Sie liebt ihn, heimlich, und fürchtet um ihn und sein Bestreben, in diesem Jahr den Weihnachtsmann, pardon, den Nicky Graus!, zu spielen.

Das ganze Unterfangen läuft natürlich völlig aus dem Ruder, Jack Skellington ist eben der Herr von Halloween und auch wenn er es noch so gut gemeint hat – den Weihnachtsmann kann er einfach nicht ersetzen.

Tatsächlich stammt die ursprüngliche Geschichte zu diesem abgefahrenen Halloween-Weihnachtscrossover von Tim Burton persönlich. Da sollten die Unterschiede nicht allzu gravierend sein, oder?

Tim Burton

Grusel in Versform

Tim Burtons Gedicht The Nightmare before Christmas ist die Vorlage, die für den Stop-Motion-FIlm genutzt wurde. Inspiration dazu fand er in Clement Clarke Moores Gedicht Twas the Night Before Christmas. In Versform, kurz und knackig, erleben wir Jack Skellingtons innere Zerrissenheit zwischen dem Kürbiskönig-Dasein und dem Wunsch, dass es da noch mehr geben müsste für ihn. Auch hier findet er die Tür ins Weihnachtsland, nimmt alles was glitzert an sich, um es zu studieren und selbst als Weihnachtsmann aufzutreten. Er bietet dem Weihnachtsmann sogar an, an seiner Statt im Sarg zu liegen und die Leute zu erschrecken.

I don’t like graveyards, and I need something new.
There must be more to life than just yelling „Boo!“

(S.10)

Tatsächlich folgen Vorlage und Film denselben Wegen, doch ein großer Unterschied besteht trotzdem: Es gibt keine Randfiguren. Jack bestreitet sein Abenteuer ohne seine Gefolgsleute, ohne Dr. Finkelstein oder Sally, ohne Hexen, Werwölfe und selbst den gruseligen Lumpensack, den Oogie-Boogie gibt es nicht.

Das macht die Geschichte rund um den Weihnachtsgau zwar zentraler, aber es gehen doch so einige Nebengeschichten dabei verloren. Stoffpüppchen Sally, die in heimlicher Liebe entbrannt ist und Jack mit Hilfe eines besonders dichten Nebels aufzuhalten versucht, wird zwar nicht namentlich erwähnt, der geisterhafte Nebel steigt als böses Omen jedoch trotzdem auf.

Jack findet am Ende des Films sein Glück nicht in Weihnachten, sondern in der Liebe zu Sally, aber auch der alleingebliebene Jack aus der Kurzgeschichte ist am Ende des Buches zufrieden. Denn es schneit im Halloweenland, ein Geschenk des Weihnachtsmannes.

Tim Burton erzählt in seiner Biografie übrigens, dass die leeräugigen Figuren aus Nightmare before Christmas auch eine Reaktion von ihm auf seine Zeit bei Disney waren. Nachdem er „ständig diese Füchse mit den kitschigen feuchten Augen zeichnen musste“, waren leere Augenhöhlen eine neue Herausforderung, um Emotionen darzustellen. Und diese Herausforderung haben er und sein Team bestanden!

Hier in Halloween, hier in Halloween, Halloween, Halloween, Halloween, Hallo….


Disneys abendfüllende Zeichentrickfilme im direkten Vergleich zu ihren literarischen Vorlagen:
The Story behind.

Mehr Beiträge zu dieser Reihe gibt es hier:
Cap & Capper: Fuchs und Hund – Freunde oder Feinde?
101 Dalmatiner: Wertvoll gepunktet
Dumbo: Ich hab viel gesehen auf dieser Welt, …!
Bambi: Von Reh zu Hirsch
Aladdin: Der ungeschliffene Diamant
Arielle: Unter dem Meer
Robin Hood: Im wilden Sherwood Forest
Das Dschungelbuch: Dschungelgeschichten
Bernhard und Bianca: R-E-T-T-U-N-G
Schneewittchen: Spieglein, Spieglein, an der Wand
Die Eiskönigin: Völlig unverfroren adaptiert
Mulan: Vom Kampf der Geschlechter
Peter Pan: Auf ins Nimmerland!
Pocahontas: Das Farbenspiel des Winds
Alice im Wunderland: Ab durch den Kaninchenbau
Der Glöckner von Notre Dames: Der Narrenpapst
Die Hexe und der Zauberer: Das Schwert im Stein
Oliver und Co: Eine Katze unter Hunden
Basil, der große Mäusedetektiv: Von Mäusen und Detektiven
Pinocchio: Ein echter Junge?
Die Schöne und das Biest: Der äußere Schein trügt
Aschenputtel: Bibbidi-Bobbidi-Boo!
Hercules: From Zero to Hero
Küss den Frosch: Von Sumpfprinzen und falschen Prinzessinnen
Der Schatzplanet: Piraten traut man besser nicht
Tarzan: Der weiße Affe
Dornröschen: Die schlafende Schönheit

4 Comments on “[The Story behind] Holy Halloween!

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