Wenn aus Büchern Schätze werden.
und natürlich solche, die es noch werden wollen! Im vergangenen Jahr wuchs die Liebe zu Comics und Graphic Novels immer höher bei mir. Und irgendwann beschlich mich das Gefühl, mit einer klassischen Rezension nicht jedem Comic gerecht zu werden. Viele Geschichten sind als Reihen aufgebaut, entfalten erst nach und nach ihre Wirkung und einzelne Bände zu besprechen, ist manchmal auch nicht das Gelbe vom Ei.
Bei den Comicperlen auf dem Canapé (Kurz: das Comic-Canapé!) möchte ich einfach über Comics plaudern, die mir ins Auge fallen, möchte Reihen vorstellen, von denen ich denke, dass sie auch für andere sehr interessant sein könnten, egal ob sie neu oder älter sind. Setzt euch zu mir, lehnt euch zurück und lasst euch mitnehmen in eine Welt aus Schwarz und Weiß, und die doch der unseren entspricht.
Vasmers Bruder von Peer Meter und David von Bassewitz ist ein ziemlich grausliges Stück Kunst, und keineswegs für die ganz Zartbesaiteten empfehlenswert. Denn hier wird sich der Geschichte Karl Denke’s gewidmet.
Ja, dieser Serienmörder ging mehr oder weniger in den Akten der Zeit verloren. Im damaligen Münsterberg in Schlesien (welches heute Ziebice genannt wird), wurden von 1903 bis 1924 mindestens 30 Menschen ermordet, zerstückelt, gekocht und – ja, gegessen. Der 64 Jährige Täter erhängte sich mit seinem eigenen Taschentuch in der Zelle, als man ihn durch einen Zufall festnahm.
Die Graphic Novel zum Fall Karl Decke ist gänzlich in Schwarzweiß gehalten. Der Stil, dessen sich der Künstler David von Bassewitz bedient, lässt zuweilen mehr Fragen offen, als er preisgibt, und glaubt mir – das ist an so mancher Stelle auch besser so. Denn wir lesen von einem jungen Mann, dessen Bruder vermisst wird. Er macht sich selbst auf, um in Ziebice nach dem Verschollenen zu suchen, der sich auf die Spuren des Kannibalen machte. Hier lernte er auch einen Mann kennen, der ebenfalls zutiefst fasziniert von der Akte Denke ist, und in der verlassenen Wohnung des Mörders noch immer nach Spuren gräbt.
Karl Denke ging so weit, seine Opfer nicht nur selbst zu verspeisen, sondern die in Sahnesauce gekochten Fleischbatzen auch zu verkaufen oder noch schlimmer, seinen künftigen Opfern vorzusetzen. Das Gemüse, das er im Garten zog, düngte er regelmäßig mit stinkendem Blutwasser. Doch nie nahm jemand seiner Nachbarn wirklichen Anstoß daran, er war ja so ein braver Bürger.
Der Comic ist düster und zeigt in Kreidezeichnungen, wie die Psyche der Menschen von solchen Fällen beeinträchtigt werden kann. Aber wie gesagt: Nichts für zarte Seelen.
Hier nun haben wir eine illustrierte Ausgabe des 1941 erschienenen, gleichnamigen Romans von Lisa Tetzner. Wir drehen die Zeit zurück in die Mitte des 19. Jahrhunderts. Wir befinden uns in Tessin, einem italienischsprachigen Kanton der Schweiz. Der 14jährige Giorgio wird von seiner Familie an einen Menschenhändler verkauft, und soll fortan in Mailand als Kaminkehrerjunge dienen. Meister Rossi hat seiner Frau wenig entgegenzusetzen, und so muss der Junge oftmals ohne Nahrung ins Bett gehen, trotz der kräftezehrenden Arbeit in den Kaminen der Stadt.
In all diesem erlebten Elend findet Giorgio den Jungen wieder, mit dem er nach Mailand kam. Dieser war nicht untätig und gründete mit anderen Kaminkehrerjungen die Schwarzen Brüder, einen Geheimbund, der den Waisen und verkauften Kindern Halt und Zuversicht schenkt. Gemeinsam können sie stark sein und das schreckliche Los ertragen, das ihnen jeden Tag bei der Arbeit blühen kann.
Kaminkehrerjungen lebten gefährlich, und nicht selten starben sie während der Arbeitszeit. Denn sie waren es, die in den finsteren, heißen Kaminen herumkrochen und den Ruß aus den Löchern holten. Augen und Lungen verdarben, die Hitze ließ sie ohnmächtig werden und abstürzen. Lisa Tetzner und ihr Mann Kurt Held beschönigen nichts, die Realität auf diesen Seiten trifft wie ein Paukenschlag ins Gesicht. Holzschnittartig inszenieren die Bilder von Hannes Binder die Geschichte, geben den Blick frei auf ein Italien der früheren Jahre, auf ein grausames Schicksal kleiner Jungen.
Dies ist kein Comic, wie man ihn kennt. Vielmehr wechseln sich szenische Darstellungen mit Textabschnitten ab, greifen ineinander über und lassen die Geschichte intensiv erleben.
Weitere Comicperlen auf dem Canapé:
Malcolm Max – Der vielleicht charmanteste Dämonenjäger der Welt
Die drei Geister von Tesla
Magda Ikklepotts – Gründlich verhext!
Auf hoher See: Die Fahrten des Odysseus
Nimona: Monstrum oder Heldin?
Ein Sprung durch das Everversum
Ein illustrer Phantastikkönig: Kai Meyer mal 3!
Roter Stier & Weißes Einhorn
Impressionistische Malerei
Das hört und sieht wirklich nicht wie ein „üblicher“ Comic aus klingt aber durchaus sehr interessant!
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Welchen genau meinst du denn? Vasmers Bruder oder die Schwarzen Brüder? Oder eigentlich beide? 😊 Sie sind auf jeden Fall beide sehr außergewöhnlich und belohnen einen tieferen Blick 🙂
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Auch wenn ich genau weiß, dass ich nach so einer Lektüre wahrscheinlich nie wieder ruhig schlafen werden kann, würde ich echt gern mal einen Blick in die beiden Graphic Novels riskieren! 😀 Vielleicht wage ich es ja demnächst bei einem kleinen Ausflug zum Comichändler meines Vertrauens… 😉 ❤
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Ich täts mir wünschen 😀 Vasmers Bruder hat schon so manch… Äh… Haarige Seite an sich, aber dank des Zeichenstils is dann doch das meiste der eigenen Fantasie überlassen 🤗
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