[Augen auf] Elke Vesper – Mörderische Familie

Triggerwarnung: sexueller Missbrauch

Werbung | Autor: Elke Vesper | Titel: Mörderische Familie |
Erscheinungsdatum: 2020 | Verlag: Ellert & Richter Verlag |
432 Seiten | Genre: Psychothriller |

Sie kommt seit vierzehn Jahren zu mir, von einigen Unterbrechungen abgesehen. Anfangs weil sie suizidgefährdet war, im Laufe der Zeit erfuhr ich, dass sie Stimmen hört, und schließlich gab sie ihr tiefes Kindheitstrauma preis.

(S.9)

Inhalt

Kristien Blau ist Psychotherapeutin. Eine ihrer langjährigen Klientinnen ist Anne, sie kommt seit vierzehn Jahren zu ihr, sie kennen sich. Bis Anne eines Tages nicht zur verabredeten Zeit kommt, und Kristien nach kurzer Recherche herausfindet, dass man Anne einen Mord anlastet. Sie soll ihren jüngeren Bruder umgebracht haben. Aber für Frau Blau steht fest, dass das nicht die ganze Wahrheit sein kann, dass sie mehr darüber herausfinden muss.

Augen auf!

Totgeschwiegene Qualen

Mörderische Familie ist ein fiktiver Roman. Was jedoch nicht fiktiv ist, sind die vielen Verbrechen, die Elke Vesper hier anspricht. Selbst Psychotherapeutin seit vielen Jahren, hat sie mit diesem Buch einen Weg gefunden, all die gesammelten Wunden zu veröffentlichen, aufmerksam zu machen, wo mehr Aufmerksamkeit hingehört. Mitunter schießt sie dabei etwas übers Ziel hinaus; viele, manchmal zu viele, verschiedene Probleme werden in diesem Buch angesprochen und trüben den Blick auf das eigentlich zentrale Thema: Annes bestialische Kindheit und die Verbindung zum Mord an ihrem Bruder.

Vom Vater jahrelang missbraucht, wächst Anne als zweites von drei Kindern auf. Auch der ältere Bruder wird unter des Vaters tyrannischer Herrschaft systematisch gebrochen, nur der jüngere scheint ein friedlicheres Leben zu führen. Kaum vorstellbar, dass er nichts von all den Quälereien mitbekommen haben soll, die sich während der gemeinsamen Kindheit mit seinen Geschwistern auf dem Hof zugetragen haben.

Und nun ist der jüngere Bruder von Anne also tot. Johannes wurde vergiftet, Anne selbst liegt neben ihm und hält seinen strangulierten Penis in der Hand. Warum? Anne kann sich an nichts erinnern, gesteht aber die Tat und verhält sich auffallend psychotisch. Sie wird in eine Klinik eingewiesen und ruhig gestellt. Währenddessen trommelt Kristien Freunde und ehemalige Klienten zusammen, um Anne zu helfen, immer davon überzeugt, dass sie es nicht gewesen sein kann. Doch bei all dem anfänglichen Enthusiasmus macht Kristien schnell immer wieder Rückzieher, auch deshalb, weil sie selbst ein persönliches Sorgenbündel namens Ehemann mit sich herum trägt. Tatsächlich war das einer der für mich unnötigen Erzählpunkte der Geschichte, da sich hier auf zu viele Baustellen gleichzeitig konzentriert wird. Das zieht sich leider durch das gesamte Buch durch, denn neben Annes Familiengeschichte, die eher nebenbei erzählt wird, finden wir auch andere sexuelle Übergriffe in den Geschichten anderer Personen, weitere totgeschwiegene Gräuel, die bis zum Auftauchen von Kristien Blau scheinbar gut versteckt vor sich hin brodelten. Andererseits kann ich auch verstehen, dass die Autorin hier so viel wie möglich einbauen wollte von den Dingen, die sie während ihrer Arbeit als Psychotherapeutin erfahren musste.

Und auch in diesem Buch gilt wieder: Wir müssen lernen, zuzuhören. Acht zu geben aufeinander. Nicht wegzusehen, wenn uns etwas merkwürdig erscheint. Wenn jemand zu euch kommt und euch um Hilfe bittet, helft ihm. Wenn ihr bemerkt, dass bei einem Kind irgendetwas nicht so zu sein scheint, wie es sollte, fragt nach. Lasst euch nicht abwimmeln, bleibt dran. Wenn ihr in der Nachbarschaft Schreie von Kindern hört, immer und immer wieder, sagt euch nicht, es geht euch nichts an. Denn es geht jeden etwas an. Wenn wir nicht wegschauen würden, wenn wir für die da wären, die es am dringendsten nötig haben, würden solche Geschichten nicht erzählt werden müssen. Und doch werden sie erzählt. Und ihr solltet sie lesen.


Augen auf!
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