Wenn aus Büchern Schätze werden.
Werbung | Autor: Stephen King | Titel: Shining |
Übersetzer: Harro Christensen |
Erscheinungsdatum: 1977 | Verlag: Bastei Lübbe|
624 Seiten | Genre: Horror |
„Wer ist Tony?“, fragte Hallorann zum zweiten Mal.
„Mommy und Daddy nennen ihn meinen „unsichtbaren Spielgefährten“, sagte Danny und brachte das Zitat sehr sorgfältig. „Aber er ist wirklich da. Wenigstens glaube ich das.“
(S. 120)
Ein Hotel in den Bergen Colorados. Den Winter über schließt es seine Tore, nur die Familie rund um Jack Torrance wird hier bleiben, um das Hotel in Schuss zu halten, während der langen kalten Monate. Doch etwas äußerst Böses geht um im Overlook Hotel. Also gib acht, welche Zimmer du öffnest.
Willkommen im Overlook! Bitte legen Sie Ihre Jacke ab, geben Sie das Gepäck dem Liftboy, und genießen Sie Ihren ersten Drink in unserer Colorado Lounge.
Sicherlich hätte Jack Torrance nichts dagegen gehabt, genau so begrüßt zu werden. Aber als künftiger Hausmeister des Hotels, während der allgemeinen Schließung über den Winter, blüht ihm ein gänzlich anderes Schicksal. Doch der Reihe nach. Vielen ist sicherlich die Verfilmung mit Jack Nicholson bekannt, dieser gruselige Streifen, in dem gezeigt wird, wie ein Mann in einem Hotel die Beherrschung und den Verstand verliert, und schlussendlich beinahe seine Familie auslöscht. Ich war immer der Meinung, dass diese Verfilmung eine gute in der Riege der (nicht immer guten) King-Verfilmungen darstellt. Dieser Meinung bin ich noch immer, jedoch muss ganz klar gesagt werden: Das Buch ist um Meilen besser!
Denn es geht um den 5jährigen Danny, dessen Freund Tony nur in seiner Fantasie lebt, und ihm allerlei merkwürdige Dinge zeigen kann. Wo Daddys Koffer versteckt sind, zum Beispiel. Oder wohin es an seinem Geburtstag gehen wird. Doch dann werden Tonys Bilder und Geschichten düster. Danny hört ein dröhnendes Stampfen, er sieht einen Schläger, der von einer Wandseite zur nächsten geschlagen wird. Er spürt das Grauen, bevor es überhaupt in Sichtweite kommt.
Es geht aber auch um Jack Torrance, Dannys Vater. Ehemals Lehrer für Literatur, schwerst alkoholabhängig und doch trocken seit beinahe 2 Jahren. Der Gedanke an einen Drink begleitet ihn Tag für Tag, doch er hält stand. Denn Jack weiß: Als er das letzte Mal getrunken hat, brach er seinem Jungen den Arm. Als er das letzte Mal getrunken hat, brachte er fast jemanden um.
Und es geht um Wendy, Ehefrau und vor allem Mutter, immer bereit zu helfen und doch von ihren beiden Männern aufs Abstellgleis gezwungen. Denn Danny ist ein Papakind, hält zu ihm auch in schwersten Zeiten, Wendy dagegen wird immer schnell fallen gelassen. Auch Jack, der seine Liebe zu ihr zwar in Worte fassen kann, aber selten tut und noch weniger durch Taten zeigt, schiebt sie immer wieder ab in eine dunkle Ecke. Mit der eigenen Mutter verkracht und ohne Freunde bleibt ihr kaum etwas, als durchzuhalten. Wie oft wollte ich sie an die Hand nehmen und mit ihr davon laufen, mit ihr und Danny, wie oft war ich schockiert über den rabiaten Umgang, dem sie in ihrer Ehe ausgesetzt ist.
Nun befindet sich also die Familie in den Bergen, das Hotel ist geschlossen, sie sind allein. Wirklich? Denn auch wenn alles noch so friedlich scheint, Danny spürt die Gefahr, die von verschiedenen Räumen ausgeht. Da wäre zum Beispiel die Präsidentensuite, an deren Wänden Blut und Gehirnmasse klebt, und die keiner außer ihm sehen kann. Oder das Zimmer 217, in dessen Badewanne eine gar nicht mal so tote Frau liegt und auf nächtlichen Besuch wartet. Stephen King holt bei Shining zu einem wahren Paukenschlag der Horrorliteratur aus! Denn Shining spielt mit so vielen menschlichen Ängsten, dass es ein wahres Fest für Gruselfreunde ist. Nicht nur die übernatürlichen Wesen sind ein Gräuel, auch die innere Zerrissenheit Jacks, die langsam aber stetig ans Tageslicht tritt, ist phänomenal gezeichnet. Es ist eben nicht wie im Film, der schreibende Jack Torrance, der ein Whiskeyglas nach dem nächsten leert und dann mit der Axt ausholt. Vielmehr ist es ein schleichender Prozess, dem sich unser Hausmeister stellen muss. Er weiß, was passiert, wenn er trinkt. Er weiß, dass sein Sohn Schuld daran hat, dass so vieles in diesem Hotel schief geht. Aber er weiß es eben auch wieder nicht. Er stellt seine eigenen boshaften Gedanken in Frage, er rappelt sich auf, müht sich – und verliert am Ende gegen sich selbst. Und das Hotel. Denn das ist das eigentlich Böse, das Über-Es, das alte Feste und Maskenbälle auferstehen lässt, jede Nacht aufs Neue, das sich Danny und seine Gabe des Shining – der Hellsicht – einverleiben will.
Es ist ein grausames Spiel um die Vernunft, die hier bis zum äußersten getrieben wird, das mich an die Seiten gefesselt und mir die eigenen Fingernägel in die Hände getrieben hat. Kurz: Ein rundum gelungenes Horrorszenario, das sehr viel in den Köpfen der Leser herumspukt, bevor es sich langsam zurückzieht.
Horror vom feinsten bringt uns Shining. Ein gar nicht so verlassenes Hotel in den Bergen, Anspielungen auf eine denkwürdige Geschichte Poes, ein innerer Kampf um das Gleichgewicht des Verstands und mittendrin ein kleiner Junge, der das Schlimmste auf der Welt sehen kann.
Übrigens: Ich wusste bisher nicht, wie gruselig Heckentiere sein können. Nun weiß ich es.
Idee ★★★★☆ ( 4 / 5 )
Handlung ★★★★★ ( 5 / 5 )
Charaktere ★★★★★ ( 5 / 5 )
Sprache ★★★★★ ( 5 / 5 )
Emotionen ★★★★★ ( 5 / 5 )
= 4.8 ★★★★★
Zur Übersicht des King-Universums
Was für eine gelungene Besprechung, die alles aufzeigt, was das Buch ausmacht.
Na welches Wort du wohl suchen lässt? Ich weiß es schon 😬 nehme aber nicht teil.
Sollte jetzt auch bald mal anfangen 😎
Liebe Grüße
Marc
LikeGefällt 1 Person
Moin Marc!
Vielen, vielen Dank! =) Ich bin schon sehr auf deine neue Meinung zum Buch gespannt, also ja, fang endlich an! 😀
Liebe Grüße!
Gabriela
PS: Pscht, nix weißt du, nix! 😀
LikeLike
Nachdem ich in (noch viel zu) jungem Alter Jack Nicholson mit Axt gesehen habe, habe ich mich bis heute niemals an das Buch herangetraut und werde es wohl weiter lassen. Aber die Figur ist klasse! 😉
LikeGefällt 1 Person
😀 Ein Shining-Trauma also? Ja, das kann ich sehr gut verstehen. Ich konnte mir immer das Ende nicht anschauen, das Heckenlabyrinth war mein persönlicher Albtraum. ^^
LikeGefällt 1 Person
Och, würde das nicht unbedingt „Trauma“ … – hm, wobei … doch, irgendwie schon. 😉
LikeGefällt 1 Person
Hallo Gabriela,
oh, wie fein. Eine Rezension zu Shining! Ich gestehe, ‚Shining‘ ist für mich Stephen King pur und eines der, wenn nicht das zentrale Buch seines Werkes (SIcher sieht das jeder Fan anders 😉 Ich habe damals zuerst den Film gesehen und war danach so dermaßen angefixt von King, dass ich seither immer wieder eines seiner Bücher zur Hand nehme. Immer so eine Delikatesse, die man sich für besondere Momente aufgewahrt.
LG, Jürgen
LikeGefällt 2 Personen
Hallöchen Jürgen!
Oh, da sagst du was. Ich bin so froh, dass ich es endlich endlich auch gelesen habe! Mensch, was mir da all die Jahre durch die Lappen ging.. Ich fand Shining auch unendlich gruselig, etwas, das nur wenige Bücher tatsächlich bei mir schaffen. Schön, dass dich der Film zum King-Freund gemacht hat 🙂
Liebe Grüße!
Gabriela
LikeLike
Liebe Gabriela, ich glaube,ich kann von dir noch so oft noch solch begeisterte King-Besprechungen lesen – den Fehler, als 10-jährige ES heimlich nachts mit einer Freundin zu gucken kann es nicht ausbügeln und so werde auch ich höchstwahrscheinlich niemals einen King in mein Bücherregal einziehen lassen. Ich muss doch ein wenig über diesen einen gravierenden Unterschied bei uns Bücherzwillingen schmunzeln. 🙂
LikeGefällt 2 Personen
Liebes!
😀 Ach mensch, dabei ist es doch mein erklärter (Geheim-)Auftrag dich eines Tages auf die dunkle Seite der Bücher zu ziehen. 😀 Zumal ich den alten ES-Film so gar nich gruselig fand, damals. Dann möchte ich lieber gar nich wissen, was du zum jetzigen sagen würdest! 😀 ♥
LikeGefällt 1 Person
Hallo Gabriela,
ich habe Shining schon einmal gelesen und werde wenn ich mal bei meinem Projekt weiterkomme, wohl mal das Hörbuch hören. Aber ich muss dir zustimmen, das Buch hat so viel mehr zu bieten, obwohl ich Jack Nicholson auch sehr klasse in der Rolle finde.
Shining zählt für mich zu einem der besten King Bücher und ich bekomme Lust es doch wieder zu lesen. Mal sehen was ich machen werde.
Liebe Grüße
Diana
LikeGefällt 1 Person
Huhu Diana!
Tja, nun bin ich aber wirklich gespannt, ob du dich schlussendlich fürs Hören oder fürs Selberlesen entscheidest! =) So oder so, Shining ist definitiv eines der King-Highlights ♥
Alles Liebe!
Gabriela
LikeGefällt 1 Person
Hallo meine Liebe,
Shining gehört wohl zu den ersten King-Filmen die ich überhaupt gesehen habe. Seither habe ich die geniale Horrorgeschichte schon mehrfach über den Bildschirm flimmern sehen, aber es schon nicht geschafft die literarische Vorlage dazu zu lesen.
Vielen Dank für deine tolle Rezension dazu – eine perfekte Erinnerung für mich, um das Buch auf der Leseliste nach weiter oben zu befördern!
Liebe Grüße
Bella
LikeGefällt 1 Person
Meine liebe Bella!
Ich muss ja zugeben, ich habe mehr als einmal beim Ende des Filmes den Fernseher ausgemacht, einfach weil ich es mir nicht anschauen konnte, wie Danny von seinem Vater gejagt wird. 😮 Und dabei ahnte ich noch nicht, dass die Buchvorlage um so vieles grausliger ist! Also lies es bitte nicht im Dunkeln :*
Liebste Grüße!
Gabriela
LikeGefällt 1 Person
Schöne Rezension, die mir noch den letzten Stupser verpasst hat, um mir dieses neue Buch vom Altmeister zu holen. 👍😊
LikeGefällt 1 Person
Dankeschön! 🙂 Mich hats wirklich umgehauen, wie spannend und intensiv das Erlebnis im Overlook tatsächlich ist. ♥
LikeGefällt 1 Person
Pingback: [Rückblick] Jahreshighlights 2019 – Buchperlenblog
Pingback: [Das King-Universum] ES – Buchperlenblog
Pingback: [Das King-Universum] 1 Jahr mit Stephen King im Gepäck! – Buchperlenblog
Liebe Gabriela, auch wenn die Rezension schon etwas älter ist, wollte ich dir doch meine Meinung dalassen. Denn „Shining“ ist für mich einer von Kings besten Romanen und eins meiner Lieblingsbücher. Ich stimme dir vollkommen zu: Der Film von Kubrick ist klasse, aber das Buch um Längen besser! Schade übrigens, dass King diese Verfilmung so gar nicht mochte, obwohl sie wirklich eine der besseren Verfilmungen seiner Werke ist …
Aber auch sonst triffst du es mit deiner Rezension gut auf den Punkt! Da kann ich einfach nur unterschreiben, weise nicken und dabei durch meinen nicht vorhandenen Rauschebart streichen. 😀
Viele liebe Grüße
Tina
LikeGefällt 1 Person
Huhu Tina!
Shining zählt für mich auch nach wie vor zu den stärksten King-Klassikern, die ich bisher gelesen habe, nur getoppt von meiner Liebe zu ES und natürlich Rolands Reise zum Dunklen Turm (frage nicht, wie oft ich diesen Weg schon mit dem alten Haudegen zurückgelegt habe).
Wenn man das Buch kennt, versteht man allerdings auch, warum King gegen die Verfilmung war, denn vieles aus Jacks Charakter und seinem inneren Zerfall wird nur auf den Alkohol geschoben, dabei steckt so viel mehr dahinter am Ende.
Alles Liebe!
Gabriela
LikeLike
Pingback: [King-Universum] Sie – Buchperlenblog
Pingback: [Das King-Universum] 2 Jahre mit Stephen King im Gepäck! – Buchperlenblog
Pingback: [King-Universum] Billy Summers – Buchperlenblog
Pingback: [Zodiak] Bücher für die Jungfrau (in uns) – Buchperlenblog
Pingback: [Gewinnspiel] 1000 Buchseiten suchen ein Zuhause! – Buchperlenblog