Wenn aus Büchern Schätze werden.
Lange Tage und angenehme Nächte!
Ihr seht, unsere Reise durch Mittwelt zum Dunklen Turm von Stephen King, geht endlich in die nächste Runde! Lange saß ich im Zug fest, kämpfte gegen Blaine den Mono und war schon fast seinen Rätseln und Bösartigkeiten erlegen. Doch nun wandle ich wieder auf dem Pfad des Bären, frohen Mutes und mit einem kleinen Tränchen im Auge.
Sie sah Will Dearborn an, der auf der Straße stand, mit seinen staubigen Stiefeln scharrte und sie unglücklich ansah. Der harte Ausdruck war aus seinem Gesicht gewichen; er sah wieder aus, als wäre er in ihrem Alter oder gar jünger.
„Es war eine gute Begegnung, oder nicht?“ , sagte er.
(S.227)
Am Ende von Band 3 haben wir die Einschienenbahn Blaine betreten und uns auf ein Spiel mit ihm eingelassen. Jahrmarktsrätsel gegen unser Leben. Denn Blaine, so bösartig er auch sein mag (und ja, das ist er!), so sehr liebt er es, anderen seine Intelligenz vorzuführen. Unser Ka-Tet willigt in dieses Spiel ein. Finden wir ein Rästel, das Blaine nicht zu knacken weiß, dann lässt er uns am Ende seiner Strecke in Topeka aussteigen.
Die Reise dauert lang, auch hier in Mittwelt, wo die Zeit zerfließt. Zeit genug, um hin und wieder unfreiwillig einen Blick auf die unter uns liegende Landschaft zu werfen. Da krauchen riesige Spinnen über die schorfigen Berge, da greifen mutierte Wesen nach dem vorbei rasenden Zug. Kaum auszudenken, wie es wäre, dort unten durch diese Hölle wandern zu müssen. Doch die Hölle befindet sich auch hier oben im Zugabteil mit dem flauschig weichen Teppich. Denn Roland Deschain kann noch so viele Rätsel aus seinem Gedächtnis hervorzaubern, alle werden ohne jegliches Zögern von Blaine gelöst. Die Chancen stehen denkbar schlecht, doch dann hat Eddie Dean – den Roland des Öfteren als Ka-Mai bezeichnet, also den Narren der Gruppe – die rettende Idee.
Wie kam das gestorbene Baby überhaupt auf die Straße?
(S.77)
Denkbar knapp landen wir wenig später im ausgestorbenen Topeka, nicht unserem, aber doch einem, das King-Leser kennen sollten. Denn hier ging ein Virus um, der die Bevölkerung beinahe vollständig dahinraffte, ein Virus, den man Captain Trips nannte. Na, wer erinnert sich hierbei an The Stand – Das letzte Gefecht?Ich finde es immer wieder großartig, wie Stephen King es schafft, seine Bücher untereinander zu verknüpfen, hier und dort für die Suchenden und Wissenden kleine Hinweise zu verbergen, damit am Ende eben doch alles Hand in Hand geht.
Auch auf andere Geschichten gibt es Hinweise, denn bald schon sehen wir am fernen Horizont einen großen, gläsernen Palast aufragen. Grün schimmert er und wir hören leise aus unserem Innersten Dorothy sagen: „Ich glaube, wir sind hier nicht mehr in Kansas, Toto!“
Eine Schwachstelle in der Nähe zwingt dem Revolvermann nun jedoch plötzlich alte, längst vergrabene Erinnerungen auf. Eine Schwachstelle in der Welt, wie er sie schon einmal hat heulen hören. Damals, als junger Mann. Damals, in Mejis. Damals, als er seine einzige Liebe fand. Und verlor.
Der vierte Teil ist genau wegen dieser Erinnerungen Rolands mein Lieblingsteil, die Reise ins ferne Mejis in dem Äußeren Bogen Mittwelts übt seit jeher die größte Faszination auf mich aus. Hier in Hambry ist die Welt noch in Ordnung, hier werden Pferde gezüchtet und Fische gefangen, hier geht die Rate der mutierten Tiere zurück. Und hierhin werden Roland und seine Freunde Cuthbert und Alain unter falschen Namen hingeschickt, um nicht im Weg zu sein, sollte der große Krieg nach Gilead kommen.
Doch die drei Jungen, die erst vierzehn Jahre alt sind zu diesem Zeitpunkt, finden weitaus mehr als Frieden. Denn die kleine Küstenstadt Hambry steckt mittendrin in einer Verschwörung mit Farson, einem Handlanger des Scharlachroten Königs. Außerdem lernt Roland bereits zu Beginn die liebreizende Susan kennen, das schönste Mädchen der Stadt und zukünftiges Feinsliebchen des Bürgermeisters. Dass die Konstellation denkbar schlecht ist, muss ich euch nicht weiter erläutern.
Und noch etwas findet sich in Hambry. Die rosa Kugel aus dem Regenbogen des Zauberers. Die Pampelmuse, der rosafarbene Vollmond. Mit Hilfe dieser Kugel kann man all die Schlechtigkeit der Welt betrachten, kann bei den großen und kleinen Gemeinheiten der Menschen zusehen, kann Verrat und Heimlichkeiten aufdecken. Und man kann in die Zukunft sehen, wenn sie einen hineinblicken lässt. Doch nichts im Leben ist umsonst, und so ernährt sich die Kugel von dem Sehenden, frisst ihn von innen heraus auf bis nur noch Haut und Knochen übrig sind, wenn man sich ihr nicht verweigert. Einstmals gab es dreizehn Kugeln, eine für jeden Balken (Band 3) und eine Schwarze für den Dunklen Turm selbst. Viele sind seither zerbrochen, doch die, die noch immer im Umlauf sind, bringen nichts als Verzweiflung und Chaos.
Manche Farben vom Regenbogen des Zauberers können angeblich in die Zukunft sehen. Andere sehen in andere Welten – dorthin, wo die Dämonen leben, dorthin, wohin das Alte Volk angeblich verschwunden ist, als es unsere Welt verlassen hat. Diese zeigen möglicherweise auch die verborgenen Türen zwischen den Welten. Andere Farben, heißt es, können tief in unsere Welt hineinschauen und Dinge zeigen, die die Menschen lieber geheim halten würden. Sie sehen niemals das Gute; immer nur das Böse. Niemand weiß mit Sicherheit, wie viel davon Wahrheit ist und wie viel Legende.
(S.572)
Die Erinnerungen an diesen Teil des langen Lebens von unserem Revolvermann bilden den Hauptteil des seitenreichen Bandes, und wenn es nach mir gegangen wäre, sie hätten auch noch weiter andauern können. Zu sehen, wie Roland immer mehr zu dem wird, der er einmal ist, der harte und emotionslose Revolvermann, der für seine Suche nach dem Dunklen Turm alles und jeden hinter sich lässt, ist sehr bewegend. Rolands früheres Ka-Tet ist dabei mindestens so sympathisch wie sein neues und ich schaue mit lachendem und weinendem Auge der Zukunft entgegen, in der wir seinen früheren Freunden ein letztes Mal begegnen werden.
Doch nun sollten wir schleunigst zurück auf den Balken, vor uns liegt Donnerschlag! Aber zunächst gilt es noch einmal, Rolands Geschichten zu lauschen, wenn der Wind durchs Schlüsselloch fegt.
Buchperle goes Mittwelt – die etwas andere Besprechung zu Stephen Kings Saga des Dunklem Turms:
Teil 1: Anfang und Ende
Teil 2: Mischen und Ziehen
Teil 3: Von Balken, die die Welten stützen
Teil 4: Rätsel und Pampelmusen
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