Wenn aus Büchern Schätze werden.
Na, habt ihr euch gestern auch nicht sattlesen können an den sagenhaften Kreaturen Venedigs, die euch Ida vorgestellt hat? Unser kleines Special zu Kai Meyer entführt euch heute in das sagenumwobene China, Schauplatz der Wolkenvolk-Trilogie, die ich euch bereits am Dienstag hier vorgestellt habe. Hier werden so einige wichtige Elemente der chinesischen Mythologie eingewoben und ich möchte mit euch zusammen eintauchen in diese alte Welt voller Mysterien!
Die Wolkenvolk-Trilogie lebt von der in die Geschichte fest verwobenen Mythologie. Im Laufe der drei Bände erfährt man nach und nach, wie die Welt in den Augen der Chinesen entstand. Und das kam so:
Pangu, der erste der Riesen, erwachte in einem riesigen Ei. Um die obere und die untere Hälfte voneinander weg zu drücken, stand Pangu viele Jahre auf ein und demselben Fleck, wuchs jeden Tag um drei Meter und stampfte die Eierschale zu seinen Füßen immer fester zu Erde zusammen. Erst als er sicher war, dass sich Oben und Unten nie wieder verschließen würden, legte sich Pangu nieder und starb. Aus den einzelnen Bestandteilen seines riesigen Körpers wurde, was wir heute kennen. Luft, Wasser, Berge und Täler.
Tatsächlich existiert die Schöpfungsgeschichte um Pangu seit dem 1. Jahrhundert n. Chr. – vorher war der Schöpfungsakt in China eher unpersönlicher Natur gewesen. Erst mit der buddhistischen und konfuzianischen Lehre erblickte der Riese Pangu das Licht der Welt. 18.000 Jahre soll er so dagestanden haben, den Himmel auf dem Kopf und die Erde unter seinen Füßen. Als er stirbt, wird sein Atem zu Wind und den Wolken, seine Stimme zum Donner. Sein linkes Auge wird die Sonne, das rechte der Mond. Blut wird zu Flüssen und Adern zu Straßen, aus Haaren wird das Gras. Und schließlich verwandeln emsige Flöhe seinen Körper zu den ersten Vorfahren der Menschen. (Darüber möchte man besser nicht so genau nachdenken.)
Nugua, die im Wolkenvolk eine zentrale Rolle einnimmt und nach der Drachengöttin Nugua benannt wurde, ist eigentlich Teil dieser Schöpfungsmythologie. Nugua ist der weibliche Partner für Pangu. Laut einer Legende soll sie am Ufer eines Flusses mit Lehm gespielt haben. Als sie die kleine entstandene Lehmfigur auf den Boden stellte, erwachte diese zum Leben, lachend und tanzend. Nugua erfreute sich an diesem Wesen so sehr, dass sie beschloss, die ganze Welt mit diesen Lehmfiguren – also uns Menschen – zu besiedeln. Zuerst waren die Mythen von Pangu und Nugua getrennt zu betrachten, doch mit den Jahren verschmolzen sie immer mehr zu einem großen Mythos.
Und natürlich: Was wäre China ohne seine Drachen? Vermutlich setzen die meisten Menschen China ebenso mit Drachen in Verbindung, wie Deutschland mit Bier und Sauerkraut. Zu Recht, denn der chinesische Drache ist eines der ältesten sagenumwobenen Wesen der Welt. Der Drache symbolisiert zwar auch Reichtum, doch vor allem steht er für Glück, für Güte und Intelligenz. Nicht allein deswegen hielten sich die großen Kaiser Chinas für Nachkommen der schlangengleichen Wesen. Im Land der aufgehenden Sonne werden Drachen anders dargestellt als in der heutigen Fantasy-Kultur des Westens. Der chinesische Drache setzt sich aus neun verschiedenen Tieren zusammen: Er besitzt den Kopf eines Kamels, die Augen eines Teufels, die Ohren eines Ochsen, die Hörner eines Hirsches, den Hals einer Schlange, den Hinterleib einer Muschel, die Klauen eines Adlers, die Tatzen eines Tigers und den schuppigen Körper eines Fischs. Wenn ich so darüber nachdenke, besaß ich als Kind mal ein Kartenspiel, bei dem man ganz ähnliche fantasievolle Tiere zusammensetzen konnte. Kai Meyer hat die Drachen in seiner Geschichte ganz ähnlich beschrieben. Gerade die leuchtenden Schuppen, die mehr als einmal den düsteren Weg in den Tunneln unter der Erde erhellen, bleiben im Gedächtnis. Außerdem sind chinesische Drachen für das Wetter zuständig. Beim Wolkenvolk fällt immer ein leichter Regenschauer an dem Ort, an dem sich die Drachen aufhalten und so ist es auch im chinesischen Glauben verwurzelt. Regen folgt den Drachen; steigen sie weit auf, gibt es eine Dürreperiode, sinken sie zu tief, folgen große Überschwemmungen ihrem Weg.
Eine weitere sehr zentrale Rolle spielt in den Büchern der Glaube. Die Lehre des Tao (Dao = Weg) bis zum Ende zu beschreiten, das machte aus Menschen die Xian, die Unsterblichen. Wer die Lehren versteht, wird eins mit sich und der Welt, der absoluten Wirklichkeit. Diese Lehre schenkt denen, die sich ihr verschrieben, ebenfalls unglaubliche Kraft und übernatürliche Fähigkeiten. So können die Xian, aber auch Mondkind und Wisperwind weite Strecken mit Hilfe des sogenannten Federflugs überwinden. Diese Episoden erinnerten mich immer wieder an alte klassische Kampfszenen, bei denen die Kämpfer über die Dächer Chinas springen und von Ort zu Ort scheinbar mühelos gelangen.
All diese kleinen und großen Mythen und Legenden folgen dem roten Faden der Geschichte und machen sie zu etwas ganz besonderem. Schon allein deswegen fühlte ich mich im alten China zur Zeit der Qing-Dynastie, das Kai Meyer hier heraufbeschworen hat, heimisch und gut aufgehoben. Hier und da gibt es natürlich literarische Abweichungen, Freiheiten die man sich durchaus herausnehmen darf und auch sollte. Denn Mythen sind nie gleich, werden überall ein wenig anders erzählt und leben von diesem Reichtum an Blickwinkeln.
Im Rausch der Trilogien – Das Kai-Meyer-Special:
27.05.19 Ida: Kai Meyer – Die Merle-Trilogie
28.05.19 Gabriela: Kai Meyer – Die Wolkenvolk-Trilogie
29.05.19 Ida: Sagenhafte Kreaturen
30.05.19 Gabriela: Chinesische Mythen
31.05.19 Ida: 3 Fragen an Kai Meyer
Gabriela: Im Gespräch mit Kai Meyer
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Hey Gabriela,
Das ist ein echt interessanter Beitrag. Ich liebe China und chinesisches Essen und mag es auch wenn in Büchern chinesische Mythologie vorkommt, allerdings wusste ich noch gar nicht so viel über die chinesische Mythologie. Wie schön, dass du das hier vorgestellt hast!
Liebe Grüße, Aurora
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Huhu Aurora!
Schön, dass ich dir die Welt der chinesischen Mythen ein wenig näher bringen konnte! Ich selbst bin immer wieder total davon fasziniert und finde es sehr bedauerlich, wie wenig diese Thematik teilweise ernsthaft in Büchern umgesetzt wird.
Alles liebe!
Gabriela
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Hach, ist das schön! ❤ Ich habe mich vor ein paar Jahren schon mal ein bisschen mit chinesischer Mythologie auseinandergesetzt, und jetzt in deinem Beitrag darüber zu lesen, hat richtig viel Spaß gemacht. 🙂 Außerdem finde ich die Vorstellung ziemlich ulkig, dass ein Drache in der chinesischen Vorstellung ursprünglich eine wilde Mischung aus verschiedenen Tieren ist 😀
Liebste Grüße und dir ein sonniges, verlängertes Wochenende!
Ida ❤
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Oh ja, dass ein Drache im Drachenland China eigentlich allem ähnelt, nur nich dem klassisch-westlich geprägten Vorbild, finde ich auch immer wieder absonderlich😄 ❤️
Dir auch, Liebes, auch wenn ich moin nochmal wieder ran darf 😮
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Ha, na dann viel Spaß! Ich darf morgen auch – und übermorgen! Puuh! 😀 Machen wir trotzdem das Beste draus ❤
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