Georgische Geschichten: Damals und Heute

Meine Lieben!

In den letzten Tagen konntet ihr reichlich Input bei vielen lieben BloggerkollegInnen zum diesjährigen Gastland Georgien auf der Buchmesse in Frankfurt erhalten. Heute möchte ich euch auf eine kleine Reise mitnehmen von den frühen Anfängen der georgischen Geschichten in Form der wohl größten Sage des Landes bis hin zu neuzeitlichen, jungen Autorinnen, die in einer wunderbaren Anthologie vereint wurden.

Georgien, das ist das Land hinter neun Bergen und neun Meeren, wie es am Anfang der Märchen heißt. Georgien, das ist ein kleines Land an der Grenze von Europa und Asien, ein Land das mit 3,7 Millionen Einwohnern ungefähr die Größe des Bundeslandes Bayern hält. Aber die Geschichten aus Georgien sind etwas besonderes. Sie sind selten linear, man folgt nicht einem Handlungsstrang vom Anfang bis zum Ende, nein, man folgt teils nicht chronologisch angeordneten Episoden. Das wirkt auf den ersten Blick chaotisch, man muss sich konzentrieren, darf den roten Faden nicht verlieren. Doch dann ergibt sich eine komplexe Welt, in der Realität und Fantasie fließend ineinander übergehen.

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Werbung | Autor: Tilman Spreckelsen | Zeichner: Kat Menschik |
Titel: Der Held im Pardelfell |
Erscheinungsdatum: August 2018 | Verlag: Galiana Berlin | 208 Seiten |
Genre: illustrierte Sage

Schota Rustaweli schrieb zwischen 1196 bis 1207 im königlichen Auftrag das wohl größte Epos der georgischen Geschichte. Der Recke im Tigerfell ist auch heute noch jedem Georgier ein Begriff, und bildet die Grundlage vieler weiterer Geschichten. Nun ist mit Der Held im Pardelfell eine Neuerzählung der alten Sage erschienen. Kat Menschik steuert wunderbare plastische Illustrationen bei, die den alten Charme dieser Erzählung durchaus zu untermauern wissen. Sie transportiert das mythologische der Geschichte in ausdrucksstarken Farben und Formen und weckt damit Erinnerungen an alte Märchenbücher.

Tinatin und Awtandil, Nestan-Daredschan und Tariel. Das sind die zwei Liebespaare, um die sich die märchenhafte Geschichte voll Ritterlichkeit und Edelmut rankt. Die Liebe ist groß, doch die Forderungen der Frauen sind es noch viel mehr. Für ihr Liebesglück müssen beide Helden große Gefahren bestehen, Abenteuer bestreiten und gefährliche Wege gehen. Es geht aber auch um wahre Freundschaft, darum, zusammenzuhalten und sich gegenseitig zu helfen. Nur so kann man am Ende das große Glück gewinnen.

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Märchenhafter Charme haftet diesem Epos an, der auch in der Neuerzählung glänzt. Doch auch in der heutigen Zeit gibt es noch einiges märchenhaftes zu finden. In der Anthologie Bittere Bonbons findet man dreizehn völlig unterschiedliche Geschichten aus der Gegenwart. Junge Autorinnen erzählen von allen Facetten ihres Landes. Mal hart und voller Kanten, mal weich und nachdenklich, entdeckt jeder sein ganz eigenes Highlight.

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Werbung | Herausgeber: Rachel Gratzfeld | Titel: Bittere Bonbons |
Erscheinungsdatum:  2018 | Verlag: edition fünf | 256 Seiten |
Genre: Kurzgeschichten

Mir persönlich gefielen die ländlich gefärbten Geschichten am  besten, sie strahlten so etwas ursprüngliches aus. Da gibt es zum Beispiel die Geschichte des namenlosen dreizehnjährigen Mädchens, dass seinem Vater eine Geschichte erzählt. Dem Vater, der am Apfelbaum schlenkert. Dem Vater, der sich das Leben nahm, nachdem er der Mutter eine Axt in den Hals trieb und so das Mädchen und ihre sechs Geschwister zu Vollwaisen machte. Die Farbe der Geschichte kann wohl kaum anders als grau bezeichnet werden und doch klingt am Ende eine Art stiller Hoffnung mit. Denn dieses Mädchen wird für ihr Leben kämpfen, dass der Vater raubte, bevor er sein eigenes nahm.

Auch gibt es eine Geschichte, bei der man einer Frau folgt, die bemüht ist, ihren Alltag zu meistern, zur Schule zu gehen, den Blicken der anderen auszuweichen und vorallem den eigenen Blick nicht in den Spiegel zu werfen. Denn der Blick auf  das eigene Spiegelbild ist getrübt. Doch manchmal lebt es sich so am besten, nicht wahr? Wenn man vergisst, was die Wirklichkeit ist.

Aber auch die moderneren Geschichten haben ihren ganz eigenen Charme. Zu beobachten, wie das Land Georgien in der neuen Literatur aufersteht und in das Bewusstsein der Menschen tritt, ist außerordentlich. Zwischen Plattenbau und Landleben, Vergangenheit und Gegenwart finden sich Geschichten aus allen Lebenslagen, die immer ein wenig Traum mit Wirklichkeit zu vermischen scheinen.

Es ist also egal, ob man moderne Geschichten oder alte Sagen bevorzugt. Geschichten aus Georgien brauchen sich in keinerlei Hinsicht hinter denen der restlichen Welt zu verstecken, denn in ihnen steckt viel Poesie, Fantasie und Lebensmut. Während es in Der Held im Pardelfell um Mut und Ritterlichkeit geht, um Religiosität und Liebe, so erfährt man in Bittere Bonbons viel über Land und Leute. Beide Bücher sind in sich sehr ausdrucksstark und ich kann sie allen empfehlen, die offen sind für Neues, die ein Land literarisch entdecken wollen und die den Mut haben, andere Ansichten zuzulassen.

schnörkel


In den vergangenen Tagen erschienen bereits zahlreiche Beiträge zu  #littripGE18 Georgien!

10.9. Ankündigung der Gastland-Aktion bei Ramona (Kielfeder) & Ramona (El Tragalibros – der Bücherwurm)
11.9. Krimi- und Thriller-Autoren Georgiens bei Kerstin von KeJas Blogbuch
12.9. Märchen aus Georgien – Nanas Blog
13.9. Titel-Handlettering & Rezensionen zu „Bestseller“ + „Der Korb“ bei Franzi von Lovely Mix
14.9. Georgische Literatur im Weidle Verlag bei Malu – Buchbuechse
15.9. Lesenacht ab 19 Uhr (mit Gewinnspielen) auf Twitter mit dem Hashtag #littripGE18
16.9. Literarische Lesepause
17.9. Georgien – ein literarisches Kennenlernen bei Sarah von Studierenichtdeinleben
18.9. Georgien kulinarisch: Gefüllte Auberginen mit Walnusspaste (vegan) bei Daniela und Heiko von Teekesselchen
19.9. Literaturgeschichte Georgiens mit Fokus auf 2-3 SchriftstellerInnen bei Katrin von The Booted Kat
20.9. Georgische Geschichten: damals und heute bei Gabriela vom Buchperlenblog
21.9. Abschlussbeiträge mit Interviews bei Ramona( Kielfeder) & Ramona (El Tragalibros – der Bücherwurm)

12 Comments on “Georgische Geschichten: Damals und Heute

  1. Guten Morgen Liebes, ein unglaublich interessanter Beitrag über ein spannendes Land! Beide Bücher hören sich auf ihre Art spannend an nur weiss ich nicht, ob sie mich wirklich fesseln würden. Man muss sich auf solche Geschichten wirklich einlassen können!

    Hab einen tollen Tag ❤

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    • Guten Morgen ❤️
      Das ist richtig, es sind besondere Geschichten, für die man sich Zeit nehmen sollte 🙂 Bittere Bonbons ist mit den vielen unterschiedlichen Kurzgeschichten eine kleine moderne Fundgrube und das Pardelfell für jene, die sich gern in Märchen vergraben. Es sind nicht die spannendsten Bücher, aber außergewöhnliche ☺️

      Genieß die letzten Sonnentage! ❤️

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  2. Liebe Gabriela,

    vielen Dank für deinen Beitrag! Ich schreibe gerade an meinem Abschlussbeitrag, der morgen online geht, und bin wirklich hin und weg, dass es so viele Bücher über georgische Märchen oder Sagen gibt. Der Held im Pardelfell landet direkt mal auf der Wunschliste!

    Liebe Grüße
    Ramona

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    • Liebe Ramona!
      Oh prima, ich freu mich, dass ich dich für den Helden interessieren konnte 🙂 ich bin auf jeden Fall sehr gespannt auf deinen abschließenden Beitrag!

      Ganz liebe Grüße!
      Gabriela

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  3. Hallo liebe Gabriela,
    auch bei dir habe ich mich gleich wieder in die georgischen Bücher zurückversetzt gesehen und mit „Bittere Bonbons“ wandert ein weiteres Buch auf die to read-Liste. Die Geschichte „Der Held im Pardelfell“ ist schon so alt, dass wusste ich nicht. Das Cover ist ein absoluter Hingucker wie nahezu alle Bücher die mir auf dem Literaturtrip begegnet sind.
    Es war für mich auch eine komplett neue Leseerfahrung mit all diesen historischen Hintergründen. Sowas reizt mich immer enorm. Eine Reise durch Zeit und Land, ich mag diesen Trip sehr.
    Danke für Deinen wunderbaren Beitrag. Komm gut in das Wochenende. Liebe Grüße Kerstin

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    • Hallo Kerstin!
      Oh ja, ich finde auch, dass die georgischen Bücher defintiv optische Highlights sind.
      Als kleiner Tipp noch nebenher, da ich das Buch bereits vor einigen Wochen gelesen und rezensiert habe: Einsame Schwestern! Ein ganz bezaubernd traurig-rührendes BUch um siamesische Zwillinge in einem Land, dass mit körperlicher Benachteiligung noch immer nicht so recht umzugehen weiß.

      Genieß die letzten Sonnenstrahlen!
      Gabriela

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  5. Salut, Gabriela.
    Eine Sammlung mit Geschichten allein von Autorinnen aus Georgien ist anmerkenswert. Nicht nur inhaltlich, stilistisch, wie Du schreibst, sondern auch weil Frauen publiziert gehören. Was nicht nur für Georgien gilt. Denn Männer machen sich global nach wie vor gern breit.
    Die Geschichte der Dreizehnjährigen scheint hier punktgenau zu passen – wenn sich ein Mann erneut als selbsternannter „Herr über Leben & Tod“ geriert (das Bild vom „strafenden Vater Gott“ kommt schliesslich nicht von ungefähr).
    Und es sind auch alte Männer, die die Finger nicht von absolutistischer Macht lassen wollen (damals wie heute).

    bonté

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    • Hallo 🙂
      Ich fand das kleine Büchlein auch wirklich erstaunlich! Die Geschichten sind alle so unterschiedlich! Mir persönlich ist es dabei relativ egal, ob der Autor dabei männlich oder weiblich, ich fürchte ich denke über diese Missstände viel zu wenig nach. Aber ich bin völlig deiner Meinung, das Frauen sich in der Literatur absolut nicht hinter ihren männlichen Kollegen verstecken müssen.

      Liebe Grüße!

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