Realität vs. Fiktion – Das Leben einer Geisha

Mineko Iwasaki vs. Arthur Golden

Realtität vs. Fiktion

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Heute möchte ich euch in eine Welt Japans entführen, die nur so erfüllt ist von Geheimnissen. Denn kaum jemand weiß, was in Kyoto, der einstigen japanischen Hauptstadt, im Viertel Gion so vor sich gegangen ist, damals, im alten Japan.

Geishas. Dieser sagenumwobene Beruf sagt sicherlich den meisten etwas. Doch wer darf sich Geisha nennen und was tun sie? Um Geishas wurde lange Zeit ein großes Geheimnis gemacht. Erst mit Arthur Goldens Bestseller-Roman und von mir innig geliebter Geschichte kam dieser kulturelle Zweig schließlich auch vollends in der westlichen Welt an.

Doch wie realistisch ist dieser Roman?

Das Buch wurde von mir bereits unzählige Male gelesen, ich liebte die kleine Chiyo von Beginn an und begleitete sie auf Schritt und Tritt auf ihrem Weg von einem verkauften Kind zu einer Maiko („Frau des Tanzes“, Vorstufe zur Geiko) und schließlich zur gefeiertsten Geiko („Frau der Kunst“, professionell ausgebildete Künstlerin, wird in Gion anstelle von Geisha verwendet) Gions.

Der Roman beschreibt anschaulich ihren Werdegang von Chiyo aus dem Fischerdorf, zu Sayuri, der Geisha, es erklärt Rituale und verdeutlicht die schweren Jahre der Ausbildung, die eine junge Maiko zu absolvieren hat. Und doch hatte ich noch immer nicht genug von dieser fremden Kultur.

Grund genug, mir die Biographie Mineko Iwasakis zu besorgen. Denn Mineko stand Arthur Golden damals Rede und Antwort in zahlreichen Interviews und wurde schließlich zum Vorbild für die erfundene Geisha Sayuri. Natürlich ist von Beginn an klar, dass hier Realität und Fiktion auseinander klaffen, auch auseinander klaffen sollen und so hatte ich durchaus meinen Spaß daran, mir bekannte Situationen völlig neu wieder zu entdecken. Schon allein die Zeit ist eine andere, denn während Mineko erst 1949 geboren wurde, beginnt der Roman bereits vor dem zweiten Weltkrieg.

Da gibt es zum Beispiel diese Situation, in der die junge Chiyo von der grausamen Hatsumomo dazu gezwungen wird, den kostbaren Kimono einer anderen Geisha mit Pinselstrichen zu ruinieren. Kimonos sind das kostbarste Gut einer Geisha, viele tragen sie nur wenige Male und die exquisitesten kosten mehrere tausend Dollar. Wie groß war meine Überraschung, als ich in der Biographie las, dass Mineko von einigen Geikos bei einem Ozashiki (Bankett) vorgeführt wurde und der Gastgeber des Abends schließlich die Rädelsführerin zu sich bat und selbst ihren Kimono mit Pinselstrichen verunzierte.

Solche Beispiele finden sich zu Hauf, auch sieht man in den Personen, die in Minekos Leben auftauchen immer wieder Parallelen zu Goldens Roman. Doch der wohl größte Fauxpas besteht in der inkorrekten Darstellung der sogenannten mizuage Chiyos. Denn dieses Ereignis symbolisiert bei Geishas den Übergang einer Maiko zu einer Geiko und hat in keinerlei Hinsicht mit verkaufter Jungfräulichkeit zu tun, wie es in Roman und Film dargestellt wurde. Arthur Golden vermischt hier ein Ritual der Kurtisanen (Gespielinnen) mit denen der Geishas und trug somit ebenfalls dazu bei, dass man in der westlichen Welt auch heute noch denkt, dass Geishas auch sexuelle Dienste anbieten. Doch das stimmt so nicht, sie sind Frauen der Kunst, sie tanzen und singen, spielen auf dem Shamisen, und unterhalten den Gastgeber durch intelligente Geschichten und Spiele. Hierbei spielt es auch keine Rolle, ob ein Mann oder eine Frau die Gesellschaft einer Geisha erbittet.

Es ist also durchaus verständlich, dass Mineko Iwasaki nach Erscheinen des Buches den Autor verklagte, da man ihre Geschichte in völlig verdrehter Weise aus dem Roman herauslesen kann, bekannte Situationen wiederfindet und vergleichen kann.

Fazit

Die Biographie gab mir einen noch tieferen Einblick in die Welt des alten Japans, in die Welt der Geishas, einem Berufszweig, der heutzutage beinahe ausgestorben zu sein scheint. Ich kann sie jedem ans Herz legen, der sich für diese Kultur interessiert und der die ein oder andere Frage oder Unklarheit aus dem Weg räumen möchte. Doch trotzdem werde ich den Roman wohl immer lieben und ihn immer wieder lesen, immer wieder mit Chiyo zu Sayuri werden, immer wieder das alte Japan besuchen.

Habt ihr eines der Bücher – oder sogar beide – gelesen? Wie seht ihr das, wie viel Fiktion ist erlaubt, wie sehr darf man in einem Roman an kulturellen Gegebenheiten herum schrauben, bis sie der Idee einer Geschichte entsprechen?

schnörkel

 

 

21 Comments on “Realität vs. Fiktion – Das Leben einer Geisha

  1. Guten Morgen,
    ich fand „Die Geisha“
    damals auch großartig! Aber werde jetzt auch das von Iwasaki lesen!

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  2. Hey du 🙂
    Ich glaube, ich habe dir schon mal gesagt, wie sehr ich diesen Film liebe ❤ Leider wartet das Buch schon ewig in meinem Regal und irgendwie kann ich mich nicht überwinden.
    Echt cool, dass du das so vergleichst und meine Fresse, da hat der Autor ja mal ordentlich was dazu gedichtet! Irgendwie schade, dass man bei uns nur so wenig über diese faszinierenden Kulturen lernt. Wobei das schon fast übertrieben ist, da man im Geschichtsunterricht kaum je etwas außerhalb von Europa behandelt…

    Alles Liebe,
    Smarty

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    • Huhu! 🙂
      Wieso kannst du dich nicht dazu überwinden? Du MUSST es lesen, das Buch ist noch so viel bezaubernder als der Film ❤ Auch wenn man eben nicht alles für bare Münze halten sollte, wie ich gemerkt habe.
      Da hast du völlig recht, ich find es auch wahnsinnig schade, wie wenig die Kultur auch in der Schule gelehrt wird, ich kann mich gar nicht erinnern, überhaupt bis nach Asien gekommen zu sein in 12 Schuljahren. 😮

      Ganz liebe Grüße! 💕
      Gabriela

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  3. Guten Morgen 🙂

    Uii ich habe nicht gedacht, dass es doch ein paar Menschen gibt die beide Bücher gelesen haben ^^ Das freut mich ^^
    Ja… die Ähnlichkeiten sind verblüffend, doch auch mich hat der große Fauxpax gewaltig gestört.
    Das ich ‚die Geisha‘ gelesen haben ist schon fast 15 Jahre her. Doch den Film mag ich immer noch gerne – auch wenn da in meinen Augen ein großer Fehler bei ist ^^““ – gucken. Das Buch lese ich diesen Monat noch mal mit einer Youtube Abonnentin zusammen. Einfach um den Inhalt aufzufrischen und die Unterschiede mehr wahrnehmen zu können.
    Minekos Buch fand ich so unheimlich spannend, interessant und auch traurig. Es war einfach gut! Gelesen habe ich es erst im März und war begeistert.
    Schön, dass wir beide uns da einig sind 🙂
    Ich wünsche dir noch eine schöne Woche.
    Ganz liebe Grüße aus dem Rheinland

    Flocke 😉

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    • Huhu Flocke! 🙂
      Ui 15 Jahre ist schon eine lange Zeit, aber schön, dass du es nochmal liest! Ich finde, man kann nicht genug von dieser Geschichte bekommen. Da auf jeden Fall dir nochmal großen Lesegenuss! 🙂

      Liebe Grüße!
      Gabriela

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  4. Ich habe das Buch gelesen und den Film vielleicht gesehen, ich bin nicht sicher. Von dem japanischen „Original“ wusste ich aber bis jetzt nicht und finde es höchst interessant. Womit ich den Golden damals verglichen habe, war ein anderes Buch, von einer amerikanischen Ethnologin namens Liza Dalby, „Geisha“ von 1985 (dt.), in dem sie darüber berichtet, wie sie ein Jahr in Japan als Geisha ausgebildet wurde. Ich weiß über dieses Buch nicht mehr sehr viel, außer dass ich es damals begeistert verschlungen habe und es sehr realistisch fand; und habe eben im Netz gelesen, dass Golden sie als Beraterin für Buch und Film herangezogen hatte. 😉
    Also ist es vielleicht auch etwas für dich?
    Liebe Grüße
    Christiane

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    • Liebe Christiane!
      Das nenn ich mal einen echten Geheimtipp! Das Buch muss ich mir echt besorgen, das ist ganz defintiv etwas für mich, lieben Dank!

      Liebste Grüße!
      Gabriela

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  5. Hallo,

    ich sehe jetzt Die Geisha mit anderen Augen und werde mir bestimmt auch mal Minekos Buch ansehen.

    Liebe Grüße
    Diana von lese-welle.de

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  6. Hallo liebe Gabriela!
    „Die Geisha“ gehört für mich auch zu meinen Lieblingsbüchern- und als ich es damals gelesen habe, war ich auch ein wenig verwirrt, weil ich nicht genau wusste ob Liebesdienste jetzt tatsächlich zu den Aufgaben einer Geisha gehören oder ob das nur die künstlerische Freiheit des Autors ist. Aber ich finde, das mit der künstlerischen Freiheit ist immer so eine Gratwanderung. Einerseits muss klar sein, dass es sich dabei um eine Geschichte handelt, das heißt, das vieles eben der Fantasie des Autors entspringt. Aber andererseits muss auch klar sein, ob eine bestimmte Kultur als Basis einer erfundenen Kultur dient oder ob daran wild herumgeschraubt wird und der Leser im Glauben gelassen wird, dass die Kuturdarstellung tatsächlich so stimmt, wie vom Autor beschrieben … gerade wenn die Begrifflichkeiten und sonstige Rituale mit denen der Geisha-Kultur übereinstimmen und vor allem auf wahren Begebenheiten basieren, so wäre eventuell ein Vermerk ganz gut, dass einige Aspekte für die Geschichte hinzugefügt wurden und so in der Realität nicht zu finden sind. Ist aber trotzdem ein schwieriges Thema, finde ich.
    Liebste Grüße,
    Ida

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    • Huhu 🙂
      Ja das stimmt, ich war ohne jeden Hinweis auch irritiert und eben auch sehr verwirrt, wieso die Jungfräuligkeit einer jungen Geisha so verkauft wurde. Deswegen bin ich froh, die Biographie noch gelesen zu haben – nun bin ich etwas schlauer 😊

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  7. Huhu, ich liebe den Roman auch! Den Film habe ich auch, allerdings finde ich es schwer, dieses dicke Buch in einen Film zu packen. Wie hat dir der Film gefallen? Ich habe mal irgendwo gelesen, dass die Darstellerinnen teilweise (oder ganz, ich weiß es nicht mehr) mit chinesischen Schauspielerinnen besetzt wurden. Ich habe allerdings nie nachgeforscht, ob das stimmt.
    Ich finde diese ganze Geisha-Kultur auch sehr interessant und habe ebenfalls das Buch von Liza Daby im Regal stehen.
    Danke für deinen Buchtipp „Die wahre Geschichte der Geisha“, das habe ich mir gleich abgespeichert. 🙂
    Liebe Grüße von kwk aus der Stadtbibliothek Bielefeld

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    • Heyo 😊
      Stimmt, vieles auf das im Buch Bezug genommen wird, kommt im Film kaum. Oder nur wenig vor. Aber das ist ja meistens so, allerdings hat der Film schon den Gauber sehr schön eingefangen 🙂
      Dass das allerdings chinesische Darsteller teilweise sind, ist schon komisch. Auch wenn das mir nie auffallen würde 😅

      Ganz liebe Grüße!
      Gabriela

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  8. Ach, wie interessant!
    Bin übers #LitNetzwerk hier gelandet und merke mal wieder, dass ich viel zu selten bei dir stöbere. Ich bin leider so ein Mensch, ich klicke ganz selten, wenn ich das Cover nicht sehen kann, wohl deshalb schaue ich so selten bei dir vorbei.

    Dabei verpasse ich scheinbar wirklich immer was! Das Buch klingt super spannend, ich muss gestehen, dass ich von Geishas bisher auch ein völlig falsches Bild hatte. Und ich finde es total toll, dass du die Geschichte des Filmes gleich mit verknüpft, da merkt man so richtig, wie falsch unsere westlichen Vorstellungen allzu oft vom Osten sind. Leider ist Japan ja auch nicht so um die Ecke, dass man mal übers Wochenende hin könnte. Aber ich werde mir in Zukunft wohl auch mal ein paar japanische Autor*innen besorgen müssen 🙂
    Viele Grüße
    Jennifer

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    • 😅 Na, dann freut es mich doch, dass du, wenn du dann da bist, trotzdem was schönes für dich entdeckst.

      Wie gesagt, ich LIEBE den Roman die Geisha sehr, da musste der Vergleich einfach sein. Und wenn mein Artikel ein bisschen mit Vorurteilen aufräumen konnte, umso besser 🙂 Ich bin auf jeden Fall gespannt, welche Japaner evtl bei dir einziehen dürfen 😊

      Liebe Grüße!
      Gabriela

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  9. Schöner Beitrag 🙂 Ich habe „Die Geisha“ kurz nach Erscheinen mehrmals gelesen und war sehr begeistert. Fand das mit der verkauften Jungfräulichkeit da auch schon irgendwie seltsam. Vielleicht hole ich mir mal die Erinnerungen 🙂

    Mir hat damals auch sehr gut „Jade“ (Original heißt „Dreams of the Walled City“) von Lisa Huang gefallen, welches in China spielt. Vielleicht auch etwas für dich?

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    • Dankeschön 🙂
      Die Biographie war wirklich sehr spannend, es ist also wirklich empfehlenswert, wenn dir die Geschichte so gut gefiel 😊

      Danke für den Tipp! Da muss ich auf jeden Fall mal hinein schauen!

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  10. Ah, als ich die beiden Bücher nebeneinander gesehen habe, dachte ich mir schon, dass es hier wahrscheinlich eine ziemliche Lücke gibt. 😀 Dass sie ihn sogar verklagt hat, hat mich jetzt schon ein wenig kichern lassen.
    Ich habe weder den Film gesehen noch das Buch gelesen. Der sexuelle Aspekt der Geschichte hat mich immer ein wenig abgeschreckt, vor allen Dingen, weil ich mir sicher war, das es so gar nicht stimmt. Vielleicht werde ich mir aber die Biographie näher anschauen. Die klingt sehr interessant. 🙂
    LG, m

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    • Heyo 🙂
      Also dieser sexuelle Aspekt ist eigentlich wirklich nur in diesem kurzen Teil zu finden und sollte dich nicht von Buch, Film oder Biografie abhalten – die Geschichte ist wirklich toll!

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