Wenn aus Büchern Schätze werden.
Erscheinungsdatum Erstausgabe: 12.02.2018 Verlag : btb
ISBN: 9783442715947 Flexibler Einband 608 Seiten Genre: Gesellschaftsroman
Im Gegenlicht aus der sonnigen Küche erschien seine Tochter, falls sie nicht schon die ganze Zeit über in der Tür gestanden hatte. Fast gesichtslos im Schatten, ein Umriss. Knochige Knie, die dünnen Arme vor der Brust verschränkt. Er wusste, nur ein Schritt auf sie zu, und sie würde in ihr Zimmer rennen und die Tür zuknallen, aber er machte den Schritt trotzdem, und sie rannte in ihr Zimmer.
(S.83)
Pete Snow ist Sozialarbeiter im ländlichen Montana in den 80er Jahren. Er besucht zerrüttete Familien, hilft ihnen in schweren Zeiten, kümmert sich um verwahrloste Kinder. Doch in seiner eigenen Familie geht es nicht minder schäbig zu. In den Bergen lernt er Pearl kennen: Familienvater, zutiefst gläubig und auf der Flucht vor den Menschen und dem Ende der Welt. Vorsichtig nähern die beiden Fremden sich an.
Die Landschaft Montanas stellt man sich rau vor, zerklüftet, wettergegerbt. Genau so wie die Menschen, die hier leben. Und wenn man mit Pete unterwegs ist, kaputte Familien aufsucht und Kinder aus diesen Familien rettet, sieht man die Parallelen.
Pete lebt getrennt von seiner Frau und seiner Tochter. Beide Elternteile haben Alkoholprobleme, die Mutter umgibt sich zusätzlich noch mit dubiosen Menschen, mit denen sie allabendliche Parties feiert; Petes Bruder ist ein gesuchter Verbrecher. Keine Umgebung für ein Kind, Rachel türmt.
Die Geschichte nimmt viele Fäden in die Hand: Religiosität, zerrüttete Familien, Alkoholprobleme, Gewalt. Die erste Zeit gefiel mir das Konstrukt gut, ich verfolgte gespannt den Weg, den Pete einschlug, wie er mit seinen eigenen Problemen umging. Doch irgendwann kippte meine Meinung. Von der sinnlosen Gewalt, die in weiten Teilen beschrieben wird, wollte ich nichts mehr lesen. Von den wechselnden Bekanntschaften, dem wahllosen Sex, dem fließenden Alkohol wollte ich nichts mehr hören.
Die Kapitel, die sich mit Jeremiah Pearl und seinem Sohn beschäftigten, gefielen mir gut. Seine Sicht der Dinge, sein Wahn – glaubhaft dargestellt. Rau wie die Natur, in die er sich mit seinem Sohn Benjamin zurückzog.
Zwischendrin immer wieder Kapitel, die sich mit Rachel – Rose – Snow beschäftigen. Eine Art Interview, doch weiß man eigentlich nie, wer da mit wem spricht. Es ist Rose, doch spricht sie über sich in der dritten Person, als wäre sie eine unbeteiligte Fremde. Dank dieser Kapitel erfährt man, wie es ihr in all der Zeit erging, was ihr widerfuhr. Und es ist kein gutes Leben, dass sie führt. Schritt für Schritt dem Abgrund entgegen, die eigene Tochter des Sozialarbeiters.
Die Geschichte findet kein wirkliches Ende, so wie auch das Leben kein wirkliches Ende findet. Es ist eine Spirale aus immer wiederkehrenden Problemen, die die Menschen in ihrer Umgebung ins Verderben stürzt.
Es war mir von allem ein wenig zu viel, niemals ein wirklicher Hoffnungsschimmer, menschliches Versagen wohin man sieht. Die wechselnden Perspektiven, Nähe und Fremdheit zugleich, das alles brachte mir die Personen und ihre Belange nicht wirklich näher.
Ich habe sehr viele positive Meinungen zu diesem Buch gelesen, also möchte ich es trotzdem jedem empfehlen, der sich mit der amerikanischen Gesellschaft der 80er Jahre auseinander setzen möchte, der miterleben will, wie eine Gesellschaft am Rand existieren kann. Aber mich hat das Buch nicht gefangen genommen, manchmal ist das einfach so.
Idee ★★★★☆ ( 4 / 5 )
Handlung ★★★☆☆ ( 3 / 5 )
Charaktere ★★★☆☆ ( 3 / 5 )
Sprache ★★★★☆ ( 4 / 5 )
Emotionen ★★★☆☆ ( 3 / 5 )
= 3.4 ★★★
Vielen Dank an das Bloggerportal und den btb Verlag für das Bereitstellen eines Rezensionsexemplares!
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