Wenn aus Büchern Schätze werden.
Werbung | Autor: Stephen King | Titel: Das Spiel |
Übersetzung: Joachim Körber |
Erscheinungsdatum: 1992 | Verlag: Heyne |
412 Seiten | Genre: Roman |
Triggerwarnung: Kindesmissbrauch
„Gerald, warum vergessen wir’s nicht einfach?“
Er zögerte einen Augenblick, runzelte die Stirn und ging dann weiter durchs Zimmer zu der Kommode, die links neben der Badezimmertür stand. Dabei hellte sich sein Gesicht wieder auf.
Sie beobachtete ihn vom Bett, wo sie mit hocherhobenen, gespreizten Armen lag und ein wenig aussah wie die angekettete Fay Wray, die in King Kong auf die Ankunft des Riesenaffen wartet.
(S.9)
Es soll lediglich ein Spiel zwischen zwei Ehepartnern sein, ein wenig das Liebesleben aufpeppen. Doch eigentlich hat Jessie die Lust an den Fesselspielchen ihres Mannes Gerald bereits gründlich über. In ihrem Wochenendhaus am See legt er sie nun zum ersten Mal in richtige Handschellen. Doch als sie ihm sagt, dass er aufhören soll, da hört er nicht auf sie. Damit beginnt ihr Martyrium allerdings erst.
Jessie und Gerald, ein Ehepaar, das die besten gemeinsamen Jahre bereits hinter sich zu haben scheint. Da helfen wohl nur noch kleine Rollenspiele, meint vor allem Gerald, als er seine Frau mit echten Handschellen ans Bett in ihrem gemeinsamen Haus am See fesselt. Doch Jessie will das eigentlich schon lange nicht mehr. Und gehört nicht unbedingtes Vertrauen zu dieser Art Spielchen? Das jedoch übersieht Gerald, denn er setzt sich über ihr klares Nein einfach hinweg, nutzt die Sitation schamlos aus. Sehr zu seinem Pech, möchte man sagen, denn ein gezielter Fußtritt von ihr und plötzlich macht sein Herz nicht mehr mit.
Doch damit beginnt das eigentliche Drama erst, denn es ist weit und breit niemand da, der Jessie von ihren Fesseln befreien könnte. Allein gelassen mit ihrem toten Mann, einem wilden Streuner, der langsam aber sicher Beute wittert, ihren eigenen Gedanken und vor allem Erinnerungen, muss Jessie zusehen, dass sie sich selbst befreien kann aus diesem Bett, das sonst zu ihrem Grab wird.
Zu Hilfe eilen ihr innere Stimmen, die sie schon seit jeher in ihrem Kopf hört, die mal ihr jüngeres Ich, mal eine alte Freundin aus früheren Tagen widerspiegeln. In Zwiegesprächen gibt sie sich selbst Ratschläge, was zutun sei, und gerät dabei zusehends in einen Strom an totgeglaubter Erinnerungen. An den Tag der totalen Sonnenfinsternis, die 1963 über Maine zu sehen war. Der Tag, an dem die Sonne erlosch, am Himmel und auch in ihrem Herzen, denn an diesem Tag geschah auch etwas mit ihr und ihrem Vater.
Der eigentliche Horror, den King in Das Spiel heraufbeschwört, ist wiedermal kein übernatürlicher, sondern vielmehr der, der aus den schwärzesten Herzen der Menschen hervorgeht. Und auch wenn dieses Buch im Grunde ein Kammerspiel ist, versteht es King auf wenigen Quadratmetern eine beängstigende Atmosphäre auferstehen zu lassen, die man so wirklich nicht selbst erleben möchte.
Übrigens: Ich war sehr überrascht, als ich den darauffolgenden Roman Dolores aufschlug, und ebenfalls eine Karte mit der Zone der Sonnenfinsternis vorfand. Und tatsächlich, Jessie sieht in ihren Erinnerungen eine fremde Frau über eine Öffnung im Boden gebeugt, die sie nicht kennt. Und die dennoch schlimmes erlebt haben muss. Mehr davon erzähle ich euch dann aber in Dolores selbst.
Das Spiel entwirft ein durchaus realistisches Szenario, dem man sich lieber nicht selbst stellen möchte. Was wärt ihr bereit zu geben, um euch aus einem Paar Handschellen zu befreien?
Handlung ★★★★☆ ( 4 / 5 )
Atmosphäre ★★★★★ ( 5 / 5 )
Charaktere ★★★★☆ ( 4 / 5 )
Sprache ★★★★★ ( 5 / 5 )
Emotionen ★★★★★ ( 5 / 5 )
= 4.6 ★★★★★
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Mein absoluter Lieblings-King. Nie hab ich Grauen körperlicher beim Lesen gespürt, als hier! Das ist die Kunst der Meisters!
Danke Dir fürs besprechen ❤️
Liebst
Bine
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Ich mochte das Buch auch sehr gern. Dagegen hab ich vorhin von einer Leserin gehört, dass sie das Buch zutiefst langweilig fand. Krass, wie sehr da die Meinungen auseinandergehen können!
Liebe Grüße!
Gabriela
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Ja, sowas ähnliches hab ich auch schon mal mitbekommen. Aber auch, dass Männer und Frauen offenbar Bücher ganz anders wahrnehmen… Ist echt witzig 🙂
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Ich habe ewig gebraucht reinzukommen, aber dann fand ich die Geschichte richtig gut. Lag bei mir wohl daran, dass ich mich nicht richtig in die Protagonistin versetzen konnte. Sie war mir anfangs zu „unbelebt“.
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Und dabei hat sie so ein lebendiges Innenleben 😄 aber gut, dass es dann für dich besser wurde! Kennst du hier den Film? Ich hab ihn mir nach dem Buch angeschaut, wenn mans kennt isser nicht verkehrt, aber ohne das Buch hätte ich wohl manchmal nicht ganz verstanden, worauf angespielt werden sollte 😄
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Ich habe nur 30min gesehen, dann hatte mein Freund keine Lust mehr. Ich denke, du hast recht. Ohne das Buch ist der Film teils schwer verständlich. Ich werde ihn irgendwann noch ganz sehen, dann aber alleine. 😅
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Hallo Gabriela,
ich mochte Das Spiel sehr gerne. Ist allerdings länger her das ich es gelesen habe, werde es wohl rereaden. Außerdem bin ich sehr auf den Film gespannt. 🙂
Freut mich auf jeden Fall, dass dir das Buch auch so gut gefallen hat.
Liebe Grüße
Diana
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Huhu Diana!
Also den Film fand ich wirklich nicht verkehrt, aber ohne das Buch vorab gelesen zu haben, hätte ich ihn vllt nicht ganz verstanden 😂
Liebe Grüße!
Gabriela
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