Wenn aus Büchern Schätze werden.
Großartiger Schreibstil trifft auch Emanzipation der 60er Jahre!
Werbung | Autor: Bonnie Garmus | Titel: Eine Frage der Chemie |
Erscheinungsdatum: März 2022 | Verlag: Piper |
464 Seiten | Genre: Roman |
Damals, im Jahr 1961, als Frauen Hemdblusenkleider trugen und Gartenvereinen beitraten und zahllose Kinder bedenkenlos in Autos ohne Sicherheitsgurt herumkutschierten; damals, bevor überhaupt jemand ahnte, dass es eine 68er-Bewegung geben würde, und erst recht nicht eine, von der ihre Teilnehmer die folgenden sechzig Jahre erzählen würden; damals, als die großen Kriege vorbei waren und die geheimen Kriege gerade begonnen hatten und die Menschen allmählich anfingen, neu zu denken und zu glauben, alles wäre möglich, stand die dreißigjährige Mutter von Madeline Zott jeden Morgen vor Tagesanbruch auf und war sich nur einer Sache ganz sicher: Ihr Leben war vorbei.
( S.7 )
Elizabeth Zott ist keine Frau ihrer Zeit. Denn den Frauen in den 1960ern sind noch immer in weiten Bereichen des Lebens die Hände gebunden, sie werden nicht ernst genommen und von den regierenden Männern der Welt an Heim und Herd gebunden. Doch Elizabeth will mehr von ihrem Leben. Sie studiert Chemie und sucht ihren Weg zwischen renommierten Wissenschaftlern. Doch das Leben legt ihr immer wieder Steine in den Weg, auch und erst recht, nachdem sie den bekannten Chemiker Calvin Evans kennen- und lieben lernt.
Die Figur der Elizabeth Zott, die Bonnie Garmus in Eine Frage der Chemie erschaffen hat, ist faszinierend. Eine junge Frau, die sich ihren Weg im Leben sucht, auch wenn er noch so steinig ist. Steinig besonders dank ihrer männlichen Kollegen, die sie als Chemikerin nicht ernst genug nehmen, auch wenn ihre Ideen und Ergebnisse brilliant sind. Auch, wenn diese Kollegen ihre Arbeit unter ihrem eigenen Namen veröffentlichen. Oder wenn sie hinter vorgehaltener Hand erzählen, dass ihr Erfolg nur durch ihr gutes Aussehen überhaupt zustande käme. Oder sich körperlich an ihr vergehen.
Als sie eine Beziehung mit dem eigenbrötlerischen Chemiker Calvin Evans eingeht, scheint sich ihr Leben zu bessern. Doch das Glück währt nicht allzu lang und über seltsame Wege findet sich Elizabeth Zott in einem Fernsehstudio wieder, als Köchin für die Hausfrauen daheim. Auch hier schlägt ihr Herz für die Chemie und sie erklärt den Frauen des Landes nicht nur, wie sie das nächste Essen auf den Tisch bekommen, sondern lehrt sie auch, dass sie mehr wert sind, als ein gut gefüllter Teller.
Bonnie Garmus hat in ihrem Debüt einen großartigen Schreibstil gefunden, der so manches Mal zum Schmunzeln bringt, auch wenn die Situationen nicht immer danach sind. Mit viel unterschwelligem Humor bringt sie die Gegebenheiten der damaligen Zeit zur Sprache, und lässt eine Zeit auferstehen, die so weit entfernt und doch so nah zugleich erscheint. Ihre Figuren haben Tiefgang und Persönlichkeit, und selbst der Hund Halbsieben bekommt einen hinreißenden Charakter, dem man sich nicht entziehen kann. Chapeau!
Ein wunderbarer Roman über die 1960er Jahre, in denen so langsam ein Umdenken in den Menschen vonstatten ging. Ein Umdenken, dass Frauen mehr können, mehr sind, als nur Hausfrau und Mutter. Ein Gesellschaftsbild, dass sich bis heute noch nicht wirklich aus den Köpfen vieler lösen konnte und das uns vermutlich auch noch lange begleiten wird. Mit Elizabeth Zott bekommen wir eine Heldin ihrer Zeit, die sich gegen dieses vorgezeichnete Rollenbild zur Wehr setzt und konsequent ihren Weg selber wählt.
Handlung ★★★★★ ( 5 / 5 )
Charaktere ★★★★★ ( 5 / 5 )
Atmosphäre ★★★★★ ( 5 / 5 )
Sprache ★★★★★ ( 5 / 5 )
Emotionen ★★★★★ ( 5 / 5 )
= 5 ★★★★★
Herzlichen Dank an den Piper Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars!
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