Wenn aus Büchern Schätze werden.
Eigenwillig, aber irgendwie doch mitreißend.
Werbung | Autor: Patricia Lockwood | Titel: Und keiner spricht darüber |
Übersetzer: Anne-Kristin Mittag |
Erscheinungsdatum: März 2022 | Verlag: btb |
220 Seiten | Genre: Roman |
Sie öffnete das Portal, und das Bewusstsein kam ihr auf halbem Weg entgegen. Drinnen war es tropisch heiß, und es schneite, und die erste Flocke der Lawine von allem landete auf ihrer Zunge und schmolz.
(S.11)
Das Portal umfasst das wahre Leben, allerdings gut portioniert, in Nachrichten, Videos, Fotos komprimiert. Das Leben einer jungen Frau findet beinahe ausschließlich auf dieser Online-Plattform statt, dem realen Leben entflieht sie, so oft es geht. Was hat die Welt auch noch zu bieten, wenn man doch auch gemütlich auf der Couch immer bestens auf dem neuesten Stand gehalten wird. Doch dann geschieht etwas in ihrem nahen Umfeld, was sie wachrüttelt und sie schlagartig zurück katapultiert in eine Welt, in der keiner über wahren Schmerz zu schreiben bereit scheint.
Patricia Lockwoods Roman Und keiner spricht darüber wirkt erst einmal erschlagend, unübersichtlich in all seinen kurzen, teils tweetartigen Abschnitten, die so viel und manchmal doch so wenig zu erzählen scheinen. Philosophische Gedanken reihen sich an Nichtigkeiten an Nonsens an persönliche Dramatik. Das muss man mögen, zugegeben. Mit der Zeit gewöhnte ich mich an den Stil, konnte hier und da sogar etwas für mich aus den kurzen Texten herausziehen, was sehr wohl auch auf unsere eigene Welt zutrifft. Denn wenn wir ehrlich sind, verbringen viele von uns die Zeit ebenfalls im Portal, auch wenn es bei uns gleich mehrere davon gibt, die unsere Zeit fressen und uns blind für unsere Umwelt machen.
Die Protagonistin erlangte durch einen eigentlich unsinnigen Tweet eine gewisse Berühmtheit, wird immer wieder in andere Länder eingeladen, und bleibt ansonsten doch lieber in ihren eigenen vier Wänden, im Portal. Doch es gibt etwas, das dieses Portal nicht bieten kann, nämlich Schutz vor der Realität. Denn mit dem ungeborenen Kind ihrer Schwester scheint etwas nicht zu stimmen und plötzlich ist die virtuelle Welt wieder das, was sie schon immer war: unwichtig.
Und keiner spricht darüber ist experimentell und sicher nicht für jeden geeignet. Wer sich aber darauf einlassen möchte, der wird durchaus mit einer tiefergehenden Handlung belohnt, die vieles unserer Welt in Frage stellt. Was ist wirklich wichtig in unserem Leben – kurzlebige Nachrichten, fadenscheinige Berühmtheit, oder doch die Wirklichkeit, die Familie und die Liebe zum Leben?
Handlung ★★★☆☆ ( 3 / 5 )
Charaktere ★★★★☆ ( 4 / 5 )
Atmosphäre ★★★☆☆ ( 3 / 5 )
Sprache ★★★☆☆ ( 3 / 5 )
Emotionen ★★★☆☆ ( 3 / 5 )
= 3.2 ★★★
Herzlichen Dank an den btb Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars!
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