
Werbung | Autor: Stephen King | Titel: Friedhof der Kuscheltiere |
Übersetzung: Christel Wiemken |
Erscheinungsdatum: 1983 | Verlag: Heyne |
460 Seiten | Genre: Horror |

Steigen Sie nicht darüber hinweg, Doktor, so sehr Sie auch glauben, es tun zu müssen. Die Schranke wurde nicht errichtet, damit man sie durchbricht. Denken Sie daran: hier gibt es eine Macht, die stärker ist, als Sie ahnen. Eine alte, niemals ruhende Macht. Denken Sie daran.
(S.93)


Inhalt
Louis Creed zieht mit seiner Familie nach einem Jobwechsel als Leiter der Universitätsklinik in den kleinen Ort Ludlow in Maine. Er freundet sich mit seinem älteren Nachbarn Jud Crandall an, und nach wenigen Tagen nimmt dieser die Familie Creed mit auf einen nahegelegenen Tierfriedhof. Dass dieser Tierfriedhof schon bald das gesamte Denken von Louis ausfüllen wird, ahnt zu diesem Zeitpunkt natürlich keiner.
Rezension
Hello again!
… Und das in mehreren Ebenen. Denn der Friedhof der Kuscheltiere begleitet mich schon ziemlich lange. Das erste Mal schlug ich dieses Buch mit elf oder zwölf Jahren auf, passenderweise auf einem Campingplatz im Wald. Natürlich ging damals die Fantasie gehörig mit mir durch, wer konnte schon genau wissen, ob man nicht ebenfalls solch einen Platz finden könnte, wenn man sich nur weit genug von den abgesteckten Zeltplätzen entfernte?
Der Tierfriedhof, den Louis Creed, seine Frau Rachel, seine fünfjährige Tochter Ellie, sowie sein zweijähriger Sohn Gage bereits zu Beginn ihres Lebens in Ludlow besichtigen, ist der letzte Ruheplatz von so manchem geliebten Haustier. Hierhin kommen die Kinder der Umgebung und begraben ihre Lieblinge, die meistens Opfer der Schnellstraße wurden, die sich durch den Ort zieht. Egal ob am Tag oder in der Nacht, Lastwagen verkehren hier ständig. Auch Ellie bekommt es mit der Angst zutun, denn der Familienkater Winston Churchill – kurz Church genannt (und mir ist die Blasphemie im weiteren Verlauf der Geschichte durchaus bewusst) – treibt sich gern herum.
Es kommt, wie es kommen muss, während der Feiertage an Thanksgiving, während Louis allein zuhause geblieben ist, erfährt er von seinem Freund und Nachbarn Jud, dass Church überfahren wurde. Und Jud ist es auch, der Louis zum Tierfriedhof und darüber hinweg führt, über einen Haufen Totholz, sumpfiges Land und finstere Wälder, bis hin zu einer noch viel älteren Begräbnisstätte. Diese stammt noch von den MicMac, einem alten indianischen Stamm, und dieser Ort soll eine gewisse Macht besitzen. Macht, die besser nicht genutzt worden wäre.
Denn am nächsten Tag steht Church mehr oder minder quicklebendig wieder in der Tür. Er ist ein wenig torkelig auf den Beinen, er stinkt nach Erde, und er hat Geschmack am Töten von kleinen Tieren gefunden. Aber er ist Church, irgendwie, und Louis ist erleichtert, seiner Tochter Ellie den Kummer des Todes ersparen zu können. Interessanterweise war ich bisher immer auf der Seite der Lebenden gewesen, konnte verstehen, wieso sich die Familie Creed – die außer Louis allesamt ahnungslos sind was den ehemals toten Kater betrifft – von Church abwenden, ihn nicht bei sich haben wollen. Diesmal nicht. Diesmal protestierte ich gegen die unfaire Behandlung, die Church dank seines penetranten Gestanks widerfuhr. Als hätte er es sich ausgesucht, wieder unter den Lebenden zu weilen. Vielmehr grollte ich Louis, der diesen Stein ins Rollen brachte, noch mehr, nachdem auch sein Sohn Opfer der Schnellstraße wird, und der indianische Begräbnisplatz hinter der Totholzmauer sich immer mehr seiner Gedanken bemächtigt.
Stephen King beweist mit dem Friedhof der Kuscheltiere einmal mehr, auf welch menschliche Art und Weise er sich dem Horror nähert, der dieses Buch füllt. Er blickt in die Seele eines rational denkenden Menschen wie Louis Creed, ein Arzt, der sich mit dem Tod bestens auskennen sollte, und verführt ihn und uns Leser dazu, über die Möglichkeit einer Rückkehr ins Leben nachzudenken. Lässt uns auf diese seelenlosen Hüllen blicken und uns fragen, ob man etwas gutes tut, wenn man sie zurückholt. Lässt sie uns nicht nur als Gefahr betrachten, die es auszumerzen gilt. Vielmehr können wir beobachten, wie der gesunde Menschenverstand weicht und Platz macht für die Hoffnung auf einen Neuanfang. Und auch wenn der Kater verändert zurückgekehrt ist, besagt das doch noch lange nicht, dass das auch mit dem Sohn passieren könnte, oder? King zeigt die grenzenlose Liebe eines Vaters, der seine Chance nutzen will und sich über jegliche Rationalität des eigenen Denkens hinwegsetzt, der das Risiko bereitwillig eingeht, sich über das natürliche Gefüge von Leben und Tod zu erheben. Aber zu welchem hohen Preis?
Übrigens: Jud Crandall berichtet Louis Creed von einigen tollwütigen Tieren in der Umgebung und benennt unter anderem Cujo, den Bernhardiner, der im gleichnamigen Roman für den Tod von vier Menschen verantwortlich war.
Übrigens, Nummer 2: Stephen King schrieb diesen Roman aus eigenen Erfahrungen. Eine zeitlang wohnte er mit seiner Familie ebenfalls an einer Schnellstraße. Seine Tochter musste ihren Kater Smucky nach einem Unfall beerdigen (und Smucky erhielt ebenfalls ein Grabmal auf dem Tierfriedhof in Ludlow), und sein Sohn Owen wäre dort beinahe von einem Auto erfasst worden.
Fazit
Noch immer zählt der Friedhof der Kuscheltiere – der im Original einen charmant-kindlichen Schreibfehler aufweist, der es so erst in die Neuübersetzung von 2011 zu uns geschafft hat – zu meinen Favoriten, wenn es um das kingsche Universum geht. Die Art und Weise, wie King hier den Werdegang beschreibt, bei dem ein Mensch alle Vernunft fahren lässt und den Weg des Unmöglichen geht, ist verblüffend erschreckend und geradezu unheimlich natürlich. Denn mal ganz unter uns, wenn wir die Möglichkeit hätten, würden wir nicht auch alles in Betracht ziehen … ?
Bewertung im Detail
Idee ★★★★☆ ( 4 / 5 )
Handlung ★★★★★ ( 5 / 5 )
Charaktere ★★★★★ ( 5 / 5 )
Sprache ★★★★★ ( 5 / 5 )
Emotionen ★★★★★ ( 5 / 5 )
= 4.8 ★★★★★
weitere Meinung
Powerschnute | Lesenmachtglücklich | Booksandphobia


![[King-Universum] Friedhof der Kuscheltiere](https://buchperlenblog.com/wp-content/uploads/2020/06/king_universum_titel_2.jpg?w=1000)





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