[Rezension] Hao Jingfang – Wandernde Himmel

Ein philosophisches Weltraumabenteuer, bei dem man einen längeren Atem braucht.

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Werbung | Autor: Hao Jingfang | Titel: Wandernde Himmel |
Erscheinungsdatum: September 2018 | Verlag: Rowohlt | 747 Seiten | Genre: Science Fiction

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Die jungen Leute waren in der einen Welt geboren und in der anderen groß geworden.

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Inhalt

2096 wurde der Mars, der rote Planet, von der Erde besiedelt. Eine Kolonie aus freien Geistern, Wissenschaftlern, Künstlern, die es auf einen neuen Planeten zieht. Sie entfernen sich immer mehr von den Erdbewohnern, nicht nur physisch sondern auch psychisch. Sie koppelt sich ab, führen ein eigenes System ein, es kommt zum Krieg zwischen den beiden Planeten. Die Geschichte setzt rund 100 Jahre in der Zukunft ein, als einige Jugendliche vom Mars auf die Erde gesandt werden. Sie sollen die Gebräuche beider Welten kennenlernen, um so in Zukunft vielleicht vermitteln zu können.

Rezension

Die Philosophie in der Science Fiction

Wandernde Himmel von Hao Jingfang ist mein zweiter Gehversuch in der Science Fiction. Das Setting des besiedelten Mars klang auf den ersten Blick wunderbar exotisch, voller Potenzial. Im Gegensatz zu Andreas Brandhorsts Artefakt, wird hier weniger Wert auf völlig neues World- und vorallem Wordbuilding gelegt, wofür ich sehr dankbar war. Auch wenn sich die Erde und der Mars grundlegend in ihren Systemen unterschieden, gleichen doch die Begriffe denen unseres heutigen Verständnisses. Auch waren die technischen Fakten weniger allgegenwärtig.

Für Hao Jingfang geht es mehr um philosophische Fragen. Welches Leben ist lebenswerter? Der Kapitalismus der Erde, bei dem alles zu Geld gemacht werden muss? Oder das System des Mars, bei dem alles künstlerisches Schaffen frei zugänglich ist? Natürlich gibt es noch weitere Unterschiede bei den Planeten. Auf der Erde lebt man frei, man wechselt Jobs und Wohnplätze nach eigenem Gutdünken. Auf dem Mars muss man sich in jungen Jahren für ein Studio festlegen, bekommt ein Haus zugeteilt und lebt fortan in festgelegten Bahnen. Das eine verspricht Freiheit, das andere Sicherheit.

Luoying ist eine der Jugendlichen, die fünf Jahre lang auf der Erde lebten, die Gewohnheiten kennenlernten und größtenteils auch annahmen. Als sie mit ihrer Gruppe zurückkehrt, stellt sie ihr bisheriges Leben in Frage. Luoying treibt die Frage um, weshalb sie mit den anderen auf die Erde sollte, denn ihre Testergebnisse waren weitaus durchschnittlicher als die der Anderen. Womöglich hängt alles mit dem Tod ihrer Eltern vor so vielen Jahren zusammen?
Grundsätzlich fand ich die Idee einer geistigen Revolution sehr interessant, die Umsetzung jedoch etwas langatmig. Typisch für asiatische Literatur sind lange Monologe voller Pathos, die die großen Fragen des Lebens versuchen zu beantworten. Leider bin ich nicht der philosophischste Mensch, der sich an solcherlei Reden ergötzt. Nachdem ich Kapitel um Kapitel mehr oder weniger die gleichen Fragen wälzte, schlich sich mit steigender Seitenzahl die Langeweile ein. Ich blätterte manche Abschnitte vor und zurück, auf der Suche nach mehr Handlung. Für mich hätte gut die Hälfte des Buches ausgereicht. Denn die Geschichte IST gut, und was sie vermittelt ebenfalls, doch mir war sie leider zu ausschweifend. Auch konnte ich mit keiner Figur so recht Freundschaft schließen, es gab keinen, der mich mitgerissen hätte, ob nun im positiven oder negativen Sinn. Alles schwamm ein wenig im eigenen Strom dahin.

Fazit

Eine gute Grundidee, die mit weniger Seiten geraffter und spannender aufgetreten wäre. Wer Freude am Philosophieren hat, dem lege ich Wanderde Himmel gern ans Herz, wer ein wenig Action und Spannung braucht, dem rate ich eher ab.

Bewertung im Detail

Idee ★★★★☆ ( 4 / 5 )

Handlung ★★★☆☆ ( 3 / 5 )

Charaktere ★★★☆☆ ( 3 / 5 )

Sprache ★★★★☆ ( 3 / 5 )

Emotionen ★★★☆☆ ( 3 / 5 )

=3.4 ★★★

Weitere Stimmen

Powerschnute

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Herzlichen Dank an den Rowohlt Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplares!

 

9 Comments on “[Rezension] Hao Jingfang – Wandernde Himmel

  1. Du wagst Dich aber auch mit den harten Sachen ins Genre vor 😀 Wandernde Himmel hätte ich jetzt nicht unbedingt einem Scifi-Einsteiger empfohlen. Wir hatten erst letztens im Literaturschockforum das Thema, das chinesische Science Fiction nochmal eine ganz andere Hausnummer für den geneigten Scifi-Leser ist. Und für Leute, die eher weniger Scifi lesen, ist die Hausnummer da sogar noch größer.

    Ich sitze immer noch an einem Blogpost darüber, was man Scifi-Einsteigern empfiehlt. Ich sollte den mal fertig schreiben. Es ist aber auch so ein komplexes Thema.

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    • 😀 Das sieht man ja dem Buch von außen nicht an, dass es sich hierbei um die ganz harte Kost handelt! 😀 Ich dachte, das es mich mehr mitnehmen könnte, als der erste Versuch 😀 Du siehst, ich BRAUCHE diesen Post von dir, ich bin sonst gänzlich verloren in diesem Genre 😀

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  2. Hallo liebste Gabriela, ich habe selbst auch sehr wenig in diesem Genre gelesen und das was ich gelesen habe konnte mich nicht wirklich überzeugen. Ich hoffe ja das ich mal noch auf das richtige Buch zu diesem Genre stosse. 🙂

    Gefällt 2 Personen

  3. Konban wa, Daniela san.
    Beim Blick in die Geschichte (der Menscheit) stolpert man/frau regelmässig über Menschen, die in ein fremdes Land, eine fremde Kultur (im Sinne des Wortes) verfrachtet wurden. Oft auch Kinder, die durch eine harte Schule gingen; sie sollten entweder Einblicke & Wissen für das eigene Land sammeln (später Ihrerseits weitergeben). Oder sie dienten den fremden Herrschern als Wegbereiter des eigenen Einflußes (wenn sie zurückgeschickt wurden).
    So versuchte auch Japan – nach dem Ende der völligen Isolationspolitik – den Anschluß an die Welt herzustellen.

    Yep, das Tech-Gelaber in mancher SF kann schon abträglich wirken („eine Subraumstörung der Tachjon-Interferenzen…“) 😆

    Anmerkenswert erscheint mir die in sich gebrochene Gegenüberstellung der Systeme von Erde & Mars. Die Freiheit in einem Manchester-Kapitalismus oder die freie Kunst innerhalb eines vorgebenden, verplanenden Systems. Speziell gesehen in der Sicht auf den status quo Chinas heute. Worst of both worlds…

    Ausführungen voller Pathos über die Fragen eines Lebens sind wohl der Allgegenwärtigkeit der konfuzianischen Lehre geschuldet. Denke ich.

    Böse Zungen könnten jetzt einwerfen, dass der fast 880-seitige Roman den Inhalt einer längeren Kurzgeschichte breitwalzt. Böse Zungen… 😎

    bonté

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    • Hallo!
      Da magst du nicht ganz unrecht haben, die vielen Seiten hätte man auch auf Kurzgeschichtenlänge herunter schreiben können. Dann wäre sie wohl spannender geblieben 😅

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  4. Pingback: Rückblick auf den September – Buchperlenblog

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