Wenn aus Büchern Schätze werden.
Jeder von uns kennt dieses eine Zauberwort, das uns ein ums andere Mal in aufregende, neue Welten entführt, uns wieder und wieder Seite an Seite mit Helden und Bösewichten kämpfen lässt, mit Druckerschwärze gefesselt auf Papier. Ja, liebe Freunde, das magische Wort, von dem ich spreche, lautet Trilogie.
Über die Spanne von drei Bänden befindet man sich im Sog einer Geschichte, deren Protagonisten und Geschehnisse sich innerhalb der Trilogie immer weiterentwickeln, sowohl zum Guten als auch zum Schlechten. Nach jedem Band kann man als Leser aufatmen und zugleich aufgeregt sein, denn die Geschichte geht weiter! Bis zum dritten und finalen Band, der den Ausgang der Geschichte endgültig entscheidet. Jedes Mal ist es ein Fest, ein Rausch, dem man sich nicht entziehen kann. Und weil wir uns immer wieder gern in diesen Rausch der Trilogien stürzen, haben Ida von Idasbookshelf und ich uns eine Beitragsreihe ausgedacht, in der wir euch jeweils eine Trilogie vorstellen werden.
Tatsächlich ist der letzte Trilogienrausch schon 18 Monate her – Asche auf unsere gebeugten Häupter – aber nun ist es endlich wieder soweit! Diesmal nehmen wir euch mit in fremde Welten, die sich unversehens in unseren geöffnet haben, mal unheimlich und völlig verwirrend, mal fantastisch und magisch! Bereit? Dann erzähle ich euch heute erst einmal etwas über Area X.
Ein Küstengebiet irgendwo in Amerika, ein einsamer Leuchtturm, der über die Weiten des Ozeans blickt – und eine völlig fremde Welt, die sich hier breitmacht. Area X – wie dieses Gebiet nun genannt wird – ist alles, nur nicht mehr so, wie die Menschheit es kannte. Flora und Fauna scheinen verändert, und wer auch immer durch die unsichtbare Grenze geht, kommt womöglich niemals wieder.
Elf Expeditionen sind bereits aufgebrochen, um dem Rätsel auf die Spur zu kommen.
Elf Expeditionen, von denen nur die wenigsten Teilnehmer unversehrt oder überhaupt zurückkamen, um Bericht zu erstatten.
Elf Expeditionen, die verrückt wurden, sich gegenseitig auslöschten.
Elf Expeditionen, und nun wird die Zwölfte losgeschickt.
Der Turm, der dort nicht hätte sein dürfen, bohrt sich an einer Stelle in die Erde, wo der dunkle Kiefernwald in Sumpf und Schilfrohr und die sich anschließenden Salzmarschen mit den windzerzausten Bäumen übergeht.
(Auslöschung | S.7)
Diesmal besteht die Gruppe aus vier Frauen, denen man den eigenen Namen bereits abgesprochen hat. Eine Vermesserin, eine Anthropologin, eine Psychologin – und die Biologin. Aus ihrer Sicht verfolgen wir tagebuchartig, wie sie sich auf dieses große Abenteuer vorbereitet, lernen die anderen Teilnehmerinnen kennen, soweit sie sich untereinander zu erkennen geben. Die Stimmung ist wenig herzlich, jede hat ihr eigenes Bündel zu tragen, und auf die wenigsten dürfen wir einen Blick erhaschen. Auch die Biologin hält sich bedeckt, ihr Mann war einer von denen, die von der letzten Expedition heimgefunden haben. Mehr als ein Schatten seiner Selbst ist jedoch nicht übrig geblieben, und der Krebs, den er mitbrachte, tat schon bald sein übriges. Nun will sie herausfinden, was ihren Mann tatsächlich umbrachte.
Schon bald nach Betreten von Area X und dem Auffinden des Basislagers trifft die Gruppe auf eine topografische Anomalie, einen Tunnel oder Turm, der sich in den Boden gräbt, Stufe für Stufe für Stufe. Und auch wenn es gefährlich scheint, dort hinab zu steigen, die Biologin wagt den Schritt. Was sie findet, sind hunderte von Blüten, die im Dunkeln leuchten und seltsame, metaphernreiche Worte und Sätze bilden. Einmal zu nah dran – puff! – legen sich winzige Partikelchen auf sie, werden eingeatmet, reagieren mit ihr. Doch wie? Ein Leuchten entsteht, tief in ihrem Inneren, welches sie mit dieser neuen Welt verbindet.
Der Reiz dieses Buches, ja, dieser ganzen Trilogie!, ist das beständige Unwissen, das sowohl die Expeditionsteilnehmerinnen wie auch wir Leser mit uns herumtragen. Die Aussagen der Biologin, auf die wir uns verlassen müssen, sind teilweise kryptisch, brechen ab, mutmaßen ohne zu belegen. Man hat das Gefühl, einem schwarzen Punkt im Augenwinkel zu folgen, den man nie ganz erfassen kann. Und was soll ich sagen, ich habe es von Anfang an geliebt!
Nachdem wir im ersten Band einen Blick in Area X und seine vielfältigen Anomalien werfen durften, befinden wir uns nun in der Institution, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, das Gebiet zu erforschen: Southern Reach. Die alte Direktorin ist in Area X verschollen, weshalb sich nun jemand neues in diese geheimnisvollen Akten einarbeiten soll: Control.
Control, dessen Mutter selbst die Hand in vielen militärischen Einsätzen im Spiel hat. Control, der nicht so richtig weiß, wieso er hier gelandet ist, hier in Southern Reach, zwischen Bergen an Notizen, kryptischen Anmerkungen, Halbwahrheiten und vielen Vertuschungen. Zusammen durchstreifen wir das Unternehmen, seine verwinkelten Flure, lernen die noch übrige Belegschaft kennen. Denn vom einstigen Glanz ist kaum noch etwas übrig, nicht nach den vielen Fehlschlägen, die Southern Reach mittlerweile zu verbuchen hat.
Erster Tag. Der Auftakt seiner letzten Cahcne.
„Das sind die Überlebenden?“
(Autorität | S.10)
Da hätten wir zum Beispiel den irgendwie exzentrischen Whitby, der definitiv mehr weiß, als er zuzugeben bereit ist. Der Anmerkungen fallen lässt, die er später widerruft. Der Control unbedingt einen bestimmten Raum zeigen will, den es später gar nicht mehr geben soll.
Außerdem treffen wir auf eine alte Bekannte, denn die Biologin scheint irgendwie aus Area X herausgefunden zu haben, auch wenn sie sich an nichts mehr erinnern will. Aufgegriffen auf einem leeren Gelände, auf eine Wand starrend, geistig leergefegt. Ghostbird, so soll Control sie von nun an nennen. Denn die Biologin ist sie nicht mehr.
Auch hier schaffen wir es als Leser nicht, hinter den dichten Vorhang der Mysterien zu blicken, erhaschen nur hier und da einige Details, die mehr Fragen als Antworten aufwerfen wollen. Was ist tatsächlich mit der zwölfen Expedition geschehen, was führt Area X im Schilde? Alles was wir wissen, ist, dass hinter der Grenze alles menschliche ausradiert wurde, alle unsere Zerstörungen, all unsere freigesetzen Gifte. Eine Ur-Natur, die es so nicht geben dürfte, Vermischungen von Genen, die nicht existent sein sollten. Ein Schreien im Schilf, und immer diese metaphorischen Schriften an den Wänden des Tunnels, die sich auch in Southern Reach auszubreiten scheinen.
An dieser Stelle kann ich nur betonen, wie sehr ich dieser Reihe verfallen bin. Ich liebe sie in all ihren Einzelheiten, ihrer Ungreifbarkeit, ihrem mystischen Wesen, was mich niemals komplett durchschauen ließ, was ich eigentlich gelesen habe. Die Sprache ist unglaublich gut gewählt, mal mit humoristischen Einlagen, mal bittersüß und dann wieder so ernst, dass man das Gefühl hat, die Welt, die wir kennen, stünde am Rande eines tiefen, tiefen Abgrunds.
Oder am Rand einer topografischen Anomalie, die immer wieder die Menschen in diesem Gebiet anzuziehen vermag. Tief hinab geht es in dem Tunnel, der sich manchen als Turm darstellt, manchen als Schlund in die Hölle. Denn wer weiß schon, wohin uns der Weg führt, wo dieses Loch in der Erde endet.
„Was ist falsch daran, Fragen zu stellen?“
„Nichts.“ Alles.
War die Frage erst einmal gestellt, wurde aus Gewissheit Zweifel. Fragen öffneten das Tor für Unsicherheit. Sein Vater hatte ihm das verraten: „Lass sie keine Fragen stellen. Du hast ihnen doch schon die Antwort gegeben, auch wenn sie es nicht wissen.“
(Akzeptanz | S.28)
In Band 3 kehren wir zurück nach Area X, gemeinsam mit Ghostbird und Control. Und einer weiteren Person, die wir ebenfalls in Band zwei in Southern Reach kennen – und nicht unbedingt lieben gelernt haben. Nun zeigt sich, dass in Area X noch viel mehr anders läuft, als bisher auch nur geahnt. Die Zeit scheint hier anders zu verlaufen, schneller, viel schneller, als wir es außerhalb der Grenze gewohnt sind.
Neben dem aktuellen Geschehen werfen wir nun auch detaillierte Blicke in die Welt an der Küste, vor Area X. Der Leuchtturm, der von Anbeginn immer wieder das erklärte Ziel der Expeditionen war, rückt in den Mittelpunkt. Gemeinsam mit ihm der Leuchtturmwärter, sein Leben – und eine seltsam anmutende Organisation namens Séance & Science Brigade, kurz S&SB. Diese führen Experimente an der Küste durch, von denen keiner so richtig zu ahnen scheint, welchem Zweck diese eigentlich dienen. Die Zeit rückt in diesen Kapiteln unerbittlich vor, hin zu dem Augenblick, an dem Area X entstand, sich ausbreitete – und alles unter sich begrub.
Und auch die Psychologin aus dem ersten Band wird nun mit Leben gefüllt. Erschien sie uns in Auslöschung noch als kühl, berechnend und alles andere als liebenswert, so erfahren wir nun, was wirklich hinter ihrer glatten Fassade steckt. Wir lernen, unsere Meinung über sie zu revidieren, müssen zugeben, dass sie gute Gründe für ihr Handeln hatte, bedauern den Verlust von ihr.
Am Ende der Trilogie war ich so erfüllt von derem Inhalt, von all den Leben, die sie mir gezeigt hat, von all dem Unbegreiflichen und doch so Fasznierendem, dass ich schier kein Ende sehen wollte. Ich wollte Area X nicht verlassen, ich wollte die Welt nicht zwischen zwei Buchdeckeln begraben, die ich noch immer nicht ganz verstanden habe. Chapeau, Jeff Vandermeer, dass du uns ein so sprachgewaltiges, tiefgründiges, unbegreifliches und abgefahrenes Werk an die Hand gegeben hast. Chapeau!
Bibliographisches
Autor: Jeff Vandermeer
Band 1: Auslöschung
Band 2: Autorität
Band 3: Akzeptanz
Erschienen: 2014
Genre: Science Fiction / Mystery
Gesamtwertung: ★★★★★ + ★ !
13. Dezember bei Gabriela – Jeff Vandermeer – Die Southern Reach Trilogie
14. Dezember bei Ida – Meloy & C. Ellis – Wildwood
15. Dezember bei Gabriela – Eine völlig neue Welt?
16. Dezember bei Ida – Magische Welten – jenseits des Gewöhnlichen
17. Dezember bei Gabriela – Welche Welt bevorzugst du?
und bei Ida – Wohin wird dich deine nächste Lesereise führen?
Meine liebste Gabriela! ❤ Deine Erfahrung zu dieser außergewöhnlichen Reihe jetzt noch einmal in diesem Beitrag zu lesen, hat mich noch einmal mehr darin bestärkt, dass diese Trilogie mit Recht ganz oben auf meiner Wunschliste steht! Es ist so, so schön, dass du mit dem aktuellsten Trilogienrausch-Stoff (xD) offenbar eine neue Lieblingsreihe für dich entdeckt hast (und die du eventuell nicht zum letzten Mal gelesen hast, nehme ich doch an? ;)). Nach diesem aufregenden Auftakt bin ich super gespannt auf deinen nächsten Beitrag dazu – zum Glück ist bald Mittwoch! 😀 ❤ Liebst, Ida
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Liebste Ida! ♥
Trilogienrausch-Stoff ist eine ganz famose Wortschöpfung 😀 Und jaaaa, ich werde diese Reihe definitiv nochmal lesen, in der stillen Hoffnung auch, das nächste Mal ein paar Lücken füllen zu können. 😀
♥♥♥
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