[Sommerloch-Bingo] Margaret Atwood – Hexensaat

Ein herrliches Buch, welches Seite für Seite enthüllt, wo sich Shakespeares „Sturm“ und Atwoods Geschichte treffen.

Werbung | Autor: Margaret Atwood | Titel: Hexensaat |
Übersetzung: Brigitte Heinrich |
Erscheinungsdatum: 2018 | Verlag: Penguin |
320 Seiten | Genre: Roman / Shakespeare-Adaption |

Bewertung: 5 von 5.

Gleich werdet ihr’s sehn,
Einen Sturm auf See,
Die Winde pfeifen, die Matrosen keifen,
Den Passagieren geht’s schlimm, und es wird
Noch schlimmer:
Geschrei ist zu hören, Albträume stören,
Aber nicht alles ist, wie es scheint,
Ich sags bloß.
Jetzt legen wir los.

(S.11)

Inhalt

Der Sturm von Shakespeare sollte sein größtes Werk werden, Felix ist auf dem Höhepunkt seiner Karriere – denkt er. Denn plötzlich ist alles anders, er ist gefeuert worden, abgesägt, die Karriere im Nu vorbei. Warum? Weil er zu exzentrisch war in seinem Schaffen? Weil er den Verlust seiner dreijährigen Tochter Miranda nicht verkraften konnte? Oder doch, weil er seinem ehemaligen Assistenten Tony beim Theater einfach nur im Wege stand? Felix verkriecht sich für Jahre, doch als er zurückkehrt, plant er Großes.

Rezension

Ich bin Caliban!

Zugegeben, außerhalb der Schulzeit hatte ich bisher nicht allzu viel mit Shakespeare zu tun. Zugegeben, auch, dass ich mit in Versen verfassten Theaterstücken herzlich wenig anfangen kann, zumindest in gelesener Form.

Doch muss ich auch zugeben, dass Margaret Atwood es in Hexensaat geschafft hat, mich für Shakespeares Sturm zu begeistern! Denn es ist nicht nur die Aufführung des Stücks, die Felix plant – und er plant sie äußerst außergewöhnlich. Es ist auch die Tatsache, wie Atwood ein Stück in einem Stück erschaffen hat, wie Parallelen des Sturms auch in Felix‘ Leben zutage treten, und die wir Leser, sofern wir nicht vertraut sind mit dem Original, erst nach und nach entdecken dürfen. Aber seid unbesorgt, wer genauso ahnungslos wie ich in dieses Buch läuft, dem werden die raffinierten Einzelheiten mit der Zeit trotzdem deutlich.

Nach langer Abstinenz geht Felix zurück ans Theater, doch nicht an irgendeines, nein, er nimmt eine Stelle als Lehrer an. In einer Justizvollzugsanstalt. Hier sind nicht die großen Schwerverbrecher eingesperrt, sondern jene, die durch kleinere Delikte wie Diebstahl, Steuerhinterziehung, Körperverletzung, solche Dinge eben, mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind. Sie melden sich in Felix‘ Kurs an, bekommen ein Stück, eine Rolle, sie lernen etwas über das Theater. Ihre Aufführungen werden auf Video aufgenommen, um sie den anderen Insassen zeigen zu können, eine Aufführung im klassischen Sinne wäre ja auch zu viel des Guten. Jedes Jahr nimmt sich Felix ein anderes Stück vor, bis er sich endlich wieder an seinen Sturm herantraut, sein Werk – sein Untergang.

Was ihn dabei besonders anstachelt, ist die Tatsache, dass sein ehemaliger Freund, Kollege und Henker Tony zugegen sein wird. Dieser hat sich nämlich in der politischen Welt weit hinauf gearbeitet, und plötzlich ist Felix‘ Rache zum Greifen nah. Ja, das Hauptthema des Buches ist Rache – ebenso wie im Sturm an sich. Und so, wie der Zauberer Prospero seinen Zaubern verfällt und Ariel, den Luftgeist, immer wieder dazu bewegt, den Menschen auf der Insel zuzusetzen, so verhält es sich auch mit Felix.

Und wieso nun der Titel Hexensaat? Caliban ist ein wilder Junge, als Prospero mit seiner Tochter Miranda auf dessen Insel strandet. Der Junge ist der Sohn einer Hexe, weshalb ihn Prospero mit dem klangvollen Namen Hagseed – zu deutsch Hexensaat – bezeichnet. Und da Shakespeares Prospero und Atwoods Felix eine Symbiose eingehen, und Caliban am Ende von Shakespeares Sturm als dunkler Teil Prosperos anerkannt wird, so verlaufen hier die Parallelen, die Atwoods fantasievollen, witzigen und intelligenten Adaption zu ihrem Titel verhalfen.

Fazit

Ein gelungenes Werk, welches uns nicht nur schwelende Rachegelüste näherbringt, sondern uns hinter die Bühnenkulissen schauen lässt. Margaret Atwood gelingt es mit spielender Leichtigkeit, den ernsten Tenor von Shakespeares Stück in eine ironisch eingefärbte neue Umgebung zu befördern, und uns mitzunehmen auf den Spuren des großen William Shakespeare.

Bewertung im Detail

Idee ★★★★★ ( 5 / 5 )

Handlung ★★★★★ ( 5 / 5 )

Charaktere ★★★★★ ( 5 / 5 )

Sprache ★★★★★ ( 5 / 5 )

Emotionen ★★★★★ ( 5 / 5 )

= 5 ★★★★★

schnörkel

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2 Comments on “[Sommerloch-Bingo] Margaret Atwood – Hexensaat

  1. Hallöchen,

    Ich habe dieses Buch schon was länger auf dem SuB, es aber bisher nicht gelesen, weil ich zuvor noch mal Shakespeares Werk lesen wollte. Das habe ich vor Jahren mal gelesen aber nur noch schwach in Erinnerung. Deine Rezension hat mir aber Lust gegeben, mich demnächst daran zu wagen.

    LG
    Elisa

    Gefällt 1 Person

    • Huhu Elisa!
      Oh klasse, also erst das Original und dann die Neuerzählung, auch schön. An Shakespeare traue ich mich irgendwie nich ran, ich mag die Gedanken hinter seinen Geschichten, aber ich bin glaube kein Bühnenstück-Leser 😅

      Ich hoffe auf jeden Fall, dass dir Atwoods Variante des Sturms ebenso gefallen wird, wie mir!

      Alles Liebe!
      Gabriela

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