[Rezension] Zeruya Shalev – Schicksal

Die Verknüpfung zweier Leben in manchen schicksalhaften Momenten, manchmal etwas zu pathetisch für meinen Geschmack.

Werbung | Autor: Zeruya Shalev | Titel: Schicksal |
Übersetzung: Anne Birkenhauer |
Erscheinungsdatum: Mai 2021 | Verlag: Piper |
416 Seiten | Genre: Roman |

Bewertung: 4 von 5.

Schweigend stand sie vor der geschlossenen Tür. Wozu noch klingeln oder klopfen, seine Mutter hat sie ja schon bemerkt.

(S.7)

Inhalt

1945, als Rachel fünfzehn Jahre alt war, verließ sie ihr Elternhaus, schloss sich den Rebellen an, verschwand für Jahre im Untergrund. An ihrer Seite ihre große Liebe und erster Ehemann Meno, der sie ein Jahr später einfach sitzen ließ. Die Jahre vergehen, Rachel ist mittlerweile neunzig, als die Tochter Menos plötzlich in ihr Leben tritt. Die Antworten will, über ihren Vater, über das Schicksal der beiden – und über das, was nie ausgesprochen wurde.

Rezension

Von Liebe und Schmerz
in vielen Gestalten

Keine Frage: Mit Schicksal von Zeruya Shalev halten wir einen außergewöhnlichen Roman in den Händen. Nicht nur lernen wir die miteinander verwobenen Leben der greisen Rachel und Atara kennen, die Tochter des ersten Mannes von Rachel. Nein, auch die Geschichte Israels breitet sich bruchstückhaft zwischen uns aus, besonders die der Widerstandsgruppierung namens Lechi, die heute weitestgehend in Vergessenheit geraten ist. Dieser Gruppierung gehörten auch Rachel und Menochem an, zwei junge Liebende, die sich doch in den verheerenden Zeiten nur selten zu Gesicht bekamen. EIn Jahr nach der Eheschließung verschwindet Meno einfach aus Rachels Leben. Jedoch nur physisch, denn in Gedanken scheint er sein Leben lang bei seiner ersten Frau zu verweilen.

Atara, seine mittlerweile fünfzigjährirge Tochter, ist Architektin, und hat sich speziell der Denkmalpflege verschrieben. Während nun also Rachel in der Vergangenheit die Zukunft neu gestalten wollte, so will Atara Vergangenes für die Zukunft erhalten. Als Atara endlich Rachel findet, hat sie viele Fragen an die einstige Frau ihres Vaters. Sie wirft Rachel sogar vor, sein Leben und damit auch ihres ruiniert zu haben. Daneben hat Atara selbst mit der brüchigen Welt ihrer eigenen Familie zu kämpfen. Gemeinsam mit Alex, ihrem zweiten Mann, hat sie von einer strahlenden Zukunft geträumt, die Liebe gesucht und mit der Zeit immer mehr Zweifel, Missgunst und Streitereien gefunden.

Das Buch will viel, vergangene Liebe und vergangenes Leben mit den Schicksalen der heutigen Zeit in Israel verknüpfen. Atara ist hin und hergerissen zwischen dem, was war und dem was ist, kann nicht entscheiden, was das richtige ist und wählt – ganz dem Titel des Buches entsprechend – in einem einzigen Moment ihr künftiges Schicksal. Zwischen all dem allgegenwärtigen Schmerz finden sich allerdings auch lichte Momente voller Zärtlichkeit, Erinnerungen an die Liebe, die einst gelebt wurde. Trotzdem waren mir manche Stellen etwas zu pathetisch, manches zu dramatisch formuliert, zu viel des Guten in all dem Schlimmen, wenn man so will. Und so gut der Stil des Buches an sich auch ist, es ist sehr erzählend, wenig zeigend, der Schmerz und der Pathos des Geschehens ist zwar beinahe greifbar dicht aufs Papier gebracht, aber doch immer mit einer gewissen Distanz, die mir das Buch nicht so nahe brachte, wie ich erhofft habe.

Fazit

Dass Zeruya Shalev eine der bedeutendsten Erzählstimmen unserer Zeit und besonders Israels ist, das beweist sie in diesem Buch. Wer sich von dem gelegentlich überbordenden Pathos nicht abschrecken lässt, der findet hier ein Buch voller Liebe und Schmerz, welches Vergangenheit und Gegenwart eindrucksvoll miteinander verknüpft.

Bewertung im Detail

Idee ★★★★☆ ( 4 / 5 )

Handlung ★★★★☆ ( 4 / 5 )

Charaktere ★★★★☆ ( 4 / 5 )

Sprache ★★★★☆ ( 4 / 5 )

Emotionen ★★★☆☆ ( 3 / 5 )

= 3.8 ★★★★

schnörkel

Vielen Dank an den Piper Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars!

1 Comments on “[Rezension] Zeruya Shalev – Schicksal

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