Außergewöhnlicher Stil in einem Krimi, der ein wenig braucht, um sich zu entfalten.

Werbung | Autorin: Kate Atkinson | Titel: Weiter Himmel |
Übersetzung: Anette Grube |
Erscheinungsdatum: April 2021 | Verlag: DuMont |
476 Seiten | Genre: Roman |

Sie waren nicht dumm, sie wussten von Menschenhandel, von Leuten, die Mädchen davon überzeugten, dass sie gute Jobs bekommen würden, richtige Jobs, und dann endeten sie unter Drogen gesetzt in einem dreckigen Loch, wo sie mit einem Mann nach dem anderen Sex machen mussten, und sie konnten nicht nach Hause zurück, weil ihnen die Pässe weggenommen worden waren und sie sich erst wieder „verdienen“ mussten. APA war nicht so.
(S.13)


Inhalt
Jackson Brodie war einst ein Polizist, nun ist er Privatdetektiv. Seine Klienten, meistens weiblich, heuern ihn an, weil sie ihrem Ehemann die Untreue an der Nasenspitze ansehen können. Doch nicht Crystal Holroyd, denn es ist sie selbst, der hinterher spioniert wird von einem silbernen Auto. Bei einer zunächst recht harmlosen Überprüfung wird Jackson Brodie jedoch in einen verstrickten Fall aus Menschenhandel, Zwangsprostitution und Drogenmissbrauch gezogen.
Rezension
Ein Hoch auf den Stil!
Es ist nicht Jackson Brodies erster Fall und es ist bei weitem nicht mein erstes Buch von Kate Atkinson – und doch trafen Brodie und ich erst jetzt aufeinander. Aber ich weiß schon jetzt, dass ich seine früheren Fälle nachholen möchte!
Der Stil des Buches ist auf jeden Fall außergewöhnlich zu nennen. So versteht es Atkinson, ihren Protagonisten jede Menge Hintergrundinformationen mitzugeben, allerdings verschachtelt in erdachten Gesprächen oder eingeschobenen Gedankengängen. Das rundet die Charaktere ab, man erhält ein ziemlich klares Bild von ihnen, man sollte allerdings nie die Aufmerksamkeit schleifen lassen. Denn gerade zu Beginn war ich am Ende einer eingeschobenen Klammer doch hin und wieder erstaunt, wohin sich der Protagonist nun bewegte, anstatt in der gerade geschilderten früheren Situation zu verweilen. Hat man sich aber einmal daran gewöhnt, so klingt vor allem die leicht sarkastische Ausdrucksweise durch, die allen handelnden Personen zu Grunde zu liegen scheint. Für mich ein großer Spaß, der die Ernsthaftigkeit des Grundthemas ertragbar machte.
Generell braucht dieses Buch ein wenig, um in Fahrt zu kommen. Wer also erwartet, den Menschenhandel in allen Einzelheiten auf dem Silbertablet präsentiert zu bekommen, der wird vielleicht enttäuscht sein. Die Grauen, die sich im Verborgenen zutragen, kommen nur nach und nach ans Licht, Verbindungen werden erst mit der Zeit sichtbar. Dieses Buch lebt nicht von brutaler Zurschaustellung des Leids, sondern mehr von dem Drumherum. Mir hat das sehr gefallen, zumal ich die Charakterzüge und Beweggründe der einzelnen Personen in Ruhe erkunden konnte. Ein paar ungeklärte Fragen bleiben am Ende, da Jackson Brodie jedoch weiterhin ermitteln wird, könnte es sich hierbei natürlich auch um einen literarischen Kniff handeln.
Fazit
Mein erster, aber bestimmt nicht mein letzter Fall mit Jackson Brodie. Kein actiongeladener Krimi, sondern etwas behäbig, dafür aber mit einer Vielzahl interessanter Personen, die alle ihr eigenes Päckchen zu tragen haben. Empfehlenswert!
Bewertung im Detail
Idee ★★★★☆ ( 4 / 5 )
Handlung ★★★★☆ ( 4 / 5 )
Charaktere ★★★★★ ( 5 / 5 )
Sprache ★★★★★ ( 5 / 5 )
Emotionen ★★★★☆ ( 4 / 5 )
= 4.4 ★★★★

Herzlichen Dank an den DuMont Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars!






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