[Rezension] Lidia Yuknavitch – Das Lied der Kämpferin

Entweder man liebt es – oder nicht.

Werbung | Autorin: Lidia Yuknavitch | Titel: Das Lied der Kämpferin |
Übersetzung: Claudia Max |
Erscheinungsdatum: März 2021 | Verlag: btb |
352 Seiten | Genre: Postapokalypse |

Bewertung: 2 von 5.

Der Farn und ich wechseln Blicke. Was für ein Gespann – eine Intellektuelle, die zu viel gesehen hat, und eine zu häufig geklonte Pflanze. Wie sinnlos Überleben sein kann.

(S.20)

Inhalt

In einer nicht allzu weit entfernten Zukunft ist die Erde ein toter Planet. Zerstört durch Kriege, ausgelaugt durch Naturkatastrophen. Einige wenige Menschen fanden Zuflucht auf der Raumstation CIEL, doch verloren sie durch die Strahlungen der Sonne nach und nach so viel von dem, was sie einst als Menschen ausmachte. Angespornt von dem Mythos eines Mädchens auf der Erde, dass magische Kräfte in sich trug und im Einklang mit der Natur gegen die Tyrannei ankämpfte, finden sich auch im All einige Rebellen zusammen, um gegen das neue Regime zu kämpfen.

Rezension

Seltsames Allerlei

Eine Postapokalypse, die nach dem Weltuntergang im Weltall fortgesetzt wird. Ein Mädchen, das das Lied der Natur, das Lied der Kämpferin in sich trägt, seit sie zehn Jahre alt war. Ein Mädchen, dass mit Hilfe ihrer Kräfte Leben nehmen und auch wieder zurückfordern kann, wenn auch zu einem gewissen Preis. Gute Voraussetzungen für einen großartigen Plot!

Allerdings hat mir die Umsetzung es sehr schwer gemacht, die Geschichte zu mögen, und vor allem mit den Protagonisten mitzufiebern. Beginnen wir mit Christine. Sie ist eine der Überlebenden der Erde, die hoch oben im Weltall ihr nunmehr androgynes Dasein fristet. Androgyn, denn die Strahlungen der Sonne, der die Menschheit ausgesetzt ist und war, beraubten sie jeglicher sexueller Aspekte. Wo vorher Mann und Frau deutlich voneinander unterscheidbar waren, webt sich die Haut zusammen, verschrumpelt, hinterlässt nichts als eine glatte Fläche. Auch Haare besitzen die Menschen auf CIEL nicht mehr, und ihre reinweiße Haut erinnert an Schaufensterpuppen aus dem Kaufhaus.

Mittels sogenannter Hautverschönerungen geben sich die Übriggebliebenen jedoch einem Körperkult hin, der immer tiefer unter die Haut geht, denn sie kauterisieren sich Symbole des Wohlstands, Kaskaden von wellenförmigen Hautverätzungen, literarische Texte. Christine ist eine Meisterin ihres Fachs, kauterisiert sich ganze Texte um die Kämpferin Joan auf die Haut und führt so ihre Rebellion vor den Augen aller CIEL-Bewohner durch. Sie selbst steht mit ihren neunundvierzig Jahren an der Schwelle des Todes, denn mit fünfzig werden alle CIEL-Bewohner zur Schonung der verbliebenen Ressourcen getötet. Warum genau das so ist, ergab sich mir nicht, denn da die androgyn gewordene Menschheit keine Nachkommen mehr zeugen kann, dezimieren sie sich vermutlich so oder so irgendwann von selbst.

Irgendwann wendet sich die Geschichte nicht nur im kauterisierten und erdachten Text Christines Joan auf der Erde zu, sondern auch wirklich. Dabei schwankt die Autorin zwischen der Ich-Erzählung von Christine zur Ich-Erzählung von Joan, um dann abwechselnd in der dritten Person von den beiden zu sprechen, was dem Fluss des Buches nicht unbedingt zuträglich war. Überhaupt hatte ich Probleme mit der gewählten Sprache, denn knappe Sätze, kaum Erklärungen oder geteilte Emotionen brachten mir keinen der Protagonisten näher. Mit derben Aussprüchen und der immer wieder thematisierten Sexualität in einer entsexualisierten Welt warfen die Charaktere nur so um sich. War dies nicht der Fall, so unterhielten sie sich phrasenhaft und gewollt literarisch. Außerdem hatte ich beständig das Gefühl, mit hoch erhobenem Zeigefinger belehrt zu werden, was nach wenigen Absätzen bereits dazu führte, dass ich augenrollend nach dem Ausgang suchte. Ich mag es, wenn Bücher Botschaften mitbringen, ich bin mir bewusst, dass der Mensch eine Krankheit ist, die die Erde eines Tages zugrunde richten wird. Aber ich möchte nicht in jedem zweiten Satz mit der Nase darauf gestoßen werden, ich möchte es durch Erlebtes erfahren. Besonders viel Erlebtes finden wir im Übrigen auch nicht in diesem Buch, denn vieles wird nur grob umrissen, kantig nacherzählt und mit weiteren Belehrungen verstrickt.

Schade!, denn ich hätte gern mehr über Joans frühen Kampf erfahren, über das Ende der Welt, über die eigentlich interessanten Figuren, die zu solch fingerhebenden Schatten ihrer selbst verblassen.

Fazit

Ich bin mir sicher, dass dieses Buch seine Fans finden wird, denn dass es etwas ganz Eigenes, Besonderes ist, das möchte ich gar nicht bestreiten. Die Geschichte passt gut in die laufenden Gender-Diskussionen, bringt es doch mit der fehlenden Sexualität und deren körperlichen Merkmalen einige interessante Gedankengänge hervor. Doch die Umsetzung behagte mir persönlich gar nicht. Zu viele Belehrungen, zu gewollt poetisch, zu wenig tatsächliches Erleben der Geschichte.

Bewertung im Detail

Idee ★★★★☆ ( 4 / 5 )

Handlung ★★☆☆☆ ( 2 / 5 )

Charaktere ★☆☆☆☆ ( 1 / 5 )

Sprache ★★☆☆☆ ( 2 / 5 )

Emotionen ★☆☆☆☆ ( 1 / 5 )

= 2 ★★


Herzlichen Dank an den btb Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars!

5 Comments on “[Rezension] Lidia Yuknavitch – Das Lied der Kämpferin

  1. Ich hatte das Buch mal vor 2(?) Jahren auf englisch in einer Buchhandlung gesehen und fand damals noch, dass es super interessant klang. Hätte es vielleicht sogar gekauft wenn ich, damals nicht (hoffnungslos) versucht hätte meinen SuB abzubauen. Ich sah, dann später die ganzen negativen Rezensionen auf Goodreads und bin mittlerweile ganz froh, dass ich es nicht tat.
    Deine Rezension hat ganz gut gezeigt, wo da anscheinend die Probleme liegen.

    Gefällt 1 Person

    • Huhu Elisa!
      Ja diese Rezensionen hab ich jetzt dann im Nachhinein auch gefunden, und kann sie so auch tatsächlich für mich bestätigen. Aber es gibt auch einige, die das Buch zu schätzen wissen, also is das Buch sicher für manche durchaus interessant. Mir fehlte da einfach zu viel, um einen richtigen Zugang zu finden. Leider.

      Gefällt 1 Person

    • Hallo Tala 🙂
      Ganz richtig, die Geschichte hat richtig viel Potenzial, aber sie schöpft es einfach nicht aus. Dafür werden entscheidende Dinge nur grob angerissen, um stattdessen… Ja… Mehr Platz für Belehrungen zu lassen.

      Liebe Grüße!
      Gabriela

      Gefällt 1 Person

  2. Pingback: Rückblick auf den März – Buchperlenblog

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