[Rezension] Charles Lewinsky – Andersen

Anders als erwartet, unterhaltsam und doch nachdenklich stimmend!

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Werbung | Autor: Charles Lewinsky | Titel: Andersen |
Erscheinungsdatum: Juli 2018 | Verlag: dtv | 400 Seiten | Genre: Roman |

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Inhalt

Es ist dunkel, als Damien Andersen erwacht. Sie haben mich geschnappt, denkt er. Sie haben mich geschnappt und nun haben sie mich gefesselt und foltern mich. Doch wo sind sie? Er kann nichts hören, nichts sehen. Irgendwann dämmert es ihm: Er wurde nicht gefangengenommen – Er erlebt seine eigene Wiedergeburt.

Rezension

Wenn das Leben wiederkehrt

Damian Andersen. Den Namen hat er sich ausgedacht, als er sein altes Leben abschließen wollte. Als er alles aus seinem Leben als böser Mensch verbannen wollte. Als er ihnen entkam. Er kann sich noch daran erinnern, wie er sich die Biografie seines neuen Ichs ausgedacht hat, die Fakten zurecht gesponnen. Doch das Leben als Damian, daran kann er sich nicht erinnern. Und nun ist er wirklich ein neuer Mensch, erlebt die Wochen und Monate eines Ungeborenen im Mutterleib. Denkt, fühlt, erinnert sich. Nur nicht daran, wie er starb.

Vielleicht geht es vielen Menschen so, dass sie sich überlegen, wie schön es wäre, wenn man sein Leben noch einmal neu starten könnte. Aber mit dem Wissensstand, den man sich bereits hart erarbeitet hat. Wenn ich mir so etwas vorstelle, dann setzt das neue Leben immer im Alter von zehn oder zwölf Jahren erst ein. Dann kann man losziehen und selbst entscheiden, was man aus seinem Leben machen möchte, was man anders oder besser macht. Doch Damian erinnert sich an sein letztes Leben noch sehr genau, und ist doch nichts weiter als ein hilfloses Wesen, ein Baby. Die Jahre schleichen dahin, man darf nicht auffallen, jeder würde davonlaufen, dem man sich offenbahrt.

Die Geschichte wird abwechselnd aus der Sicht Damians und der seines neuen Vaters geschildert. Der Ton is dabei bei aller Ernsthaftigkeit der Geschichte recht heiter, sarkastisch, auf witzige Art bösartig. Auch wenn die Erinnerungsfetzen von Damian zeigen, dass er zu den abscheulichsten Menschen der Weltgeschichte gezählt hat, so kam ich doch nicht umhin, ihn ein wenig zu mögen in seiner scheinbar hilflosen Art. Doch das Böse trägt er nach wie vor in sich. Er ändert sich erst zunehmend, als er seine wahre Familie findet. Doch kann man sich den eigenen Angehörigen anvertrauen? Dem Enkel erzählen, dass man selbst der Großvater ist?

Die Geschichte spielt mit vielen essentiellen Fragen, wie man sein Leben besser gestalten könnte, wenn man nur die geistigen Mittel hätte. Auch wenn ich mir anfangs einen anderen Verlauf erhofft hatte, so lässt mich Damians Leben doch nicht los. Und wer weiß, vielleicht wird unsere Seele wirklich immer neu geboren – wir erinnern  uns nur nicht.

Fazit

Anders als erwartet kommt Andersen auf fast groteske Weise amüsant daher, offenbart dabei aber doch viele kluge Gedanken, die wir uns vermutlich alle schon einmal gestellt haben. Was wäre, wenn man sein Leben erneut leben kann? Leseempfehlung für alle, die ihr Leben neu beginnen wollen. Und alle anderen auch.

Bewertung im Detail

Idee ★★★★★ ( 5 / 5 )

Handlung ★★★★☆ ( 4 / 5 )

Charaktere ★★★★☆ ( 4 / 5 )

Sprache ★★★★☆ ( 4 / 5 )

Emotionen ★★★★☆ ( 4 / 5 )

=4.2 ★★★★

Erinnert an:

Kate Atkinson – Die Unvollendete

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Herzlichen Dank an den dtv Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplares!

6 Comments on “[Rezension] Charles Lewinsky – Andersen

  1. Bonsoir, Gabriela.
    Der eine bis die andere geht ja gern damit „hausieren“ schon einmal gelebt zu haben, schon einmal Wer (!) gewesen zu sein. Nun ja… 🤔
    Auf der anderen (nicht so prahlerischen) Seite gibt es die romantischen Stories von ewig Liebenden, die durch die Zeiten, in wechselnden Geschlechtern wieder zueinander finden. Ein weitaus schönerer Aspekt des Gedanken.
    Mir in Person ist die Vorstellung einer (tatsächlichen) Wiedergeburt ja eher fremd. Aber den Menschen treiben Vorstellungen vom „Danach“ seit Jahrhunderttausenden um. Nun ja… 😎

    Damien (der Film ‚The Omen‘ lässt grüssen) wäre im Grunde ein Fall für die Dauertherapie. Egal ob davor oder danach. Schaudern macht mich die Vorstellung eh.

    Ein zentrale Frage wäre ja für mich, ob Damien in einer Form zur Reue kommt, oder ob er (oder das Buch) sich einfach hinter dem böse sein versteckt!?

    Eine Gedanken anregende Rezi. Merci!

    bonté

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    • Hallo!
      Na ja und man weiß ja, wie man zu diesen Menschen steht. 😉 Damian vergleicht sich innerhalb des Buches übrigens mit dem jungen Mozart, der auch schon in Kindesalter weit über seine Altersgrenzen hinaus war. Mir persönlich gefällt dieses Denken, dass man weiterhin existiert. Nur daran sich zu erinnern ist vielleicht etwas schlecht.

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      • …die Sache mit dem Weiterleben findet ja in Virgina Woolfs „Orlando“ eine poetische Betrachtung. Denke ich.

        bonté

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  2. Liebes, oh wow! Das ist ja mal ein ganz anderes Buch, die Geschichte habe ich so noch nie gehört und ich finde es so interessant, ich muss mir dieses Buch unbedingt bestellen 😀 ich glaube ja es wäre tragisch, wenn man wiedergeboren wird und sich immer an sein früheres Leben erinnern könnte…

    Gefällt 1 Person

    • Mich hat die Geschichte auch direkt interessiert😅 auf gewisse Art fände ich das auch, zumindest solang man noch zu jung ist um aktiv in sein neues Leben eingreifen zu können. So tun zu müssen als könne man weder gehen noch reden noch lesen.. 😶

      Gefällt 1 Person

  3. Pingback: Rückblick auf den Oktober – Buchperlenblog

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