[Rezension] Frank Baer – Die Magermilchbande

Die Magermilchbande von Frank Baer

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Erscheinungsdatum Erstausgabe : 01.12.1989

Aktuelle Ausgabe : 13.03.2017

Verlag : Penguin

ISBN: 9783328100645

Flexibler Einband: 414 Seiten

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schnörkel

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„Er drehte Adolf auf den Bauch und setzte sich so, dass er seine Füße im Schoß hatte. Die Fersen waren offen. Das waren keine Blasen mehr, auch keine abgelaufenen Blasen, da war schon die Haut unter den Blasen weggescheuert bis aufs Fleisch. Da schaute das rohe Fleisch heraus.“ (S.97)

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Inhalt

Wir begleiten eine Gruppe Kinder aus der KLV, der Kinderlandverschickung, gegen Ende des zweiten Weltkrieges.
Eines Tages müssen sie aus ihrer Unterbringung in Tschechien fliehen, die Kriegsfront ist nah. Anfangs geht auch alles gut. Doch Adolfs Füße machen nicht lange mit, die Schuhe sind zu eng und reiben, kaum geeignet für einen kilometerweiten Marsch.

Maxe und Peter bleiben bei ihm, wollen mit den Nachzüglern ihrer Schule wieder aufschließen. Doch die Nachzügler kommen nicht und so müssen sich die drei allein nach Deutschland, in ihre Heimat Berlin, durchschlagen. Unterwegs lesen sie außerdem noch Tillie und Bille auf. Zu fünft begeben sich die Kinder auf einen langen Weg, immer entlang am Rande des Hungertodes und des Wahnsinn des Krieges.

Rezension

Der Einstieg in das Buch fällt leicht, wir dürfen einige Aufzeichnungen aus Billes Tagesbuch lesen. Herzerfrischend geschrieben, die Schrecken des Krieges kindgleich wegwinkend, authentisch. Ich gebe zu, ich hatte anfangs ein wenig Ferienheimstimmung im Herzen, bin gedanklich immer wieder in ein Deja Vue des Doppelten Lottchens abgedriftet (des alten Filmes, keiner dieser Neumodischen). Doch das ändert sich schnell, denn die Lage spitzt sich zu. Die Kinder müssen weg, raus aus ihrem sicheren Lager, müssen zurück nach Deutschland gebracht werden und dabei fährt doch fast kein Zug mehr!
Als sie sich Stück für Stück von ihren Habseligkeiten trennen müssen, wurde mir selbst ganz schwer ums Herz. Als Adolfs Füße nicht mehr weitergehen können und er zurückbleiben muss, litt ich mit ihm mit. Maxe und Peter bleiben bei ihm, wollen später den anderen hinterher, was sich als aussichtslos erweist.

Man kann sich nur schwer vorstellen, wie es in einer Zeit sein muss, in der man abgeschnitten von der Welt und mutterseelenallein unterwegs ist. Keine Post, kein Telefon, nichts, was dich mit deinen Liebsten daheim in Verbindung bringen kann. Niemand weiß, wo du dich befindest. Diese Unsicherheit, nicht zu wissen, wo die anderen sind, ob es ihnen gut geht, ob sie überhaupt noch leben.

Mit Tillie und später auch Bille, deren Tagebuch wir in Abständen weiter verfolgen, kommt neues Leben in die Jungenbande. Doch egal, wo sie hinkommen, überall müssen sie sich durchschlagen, sind am Ende ihrer Kräfte, immer hungrig, nie Zuhause. Das Ende des Buches hat mich sehr traurig gestimmt. Mit der Zeit ist die Gruppe zerrissen, einige bleiben zurück, einer läuft weg. Das Schicksal von Maxe erfährt man nur noch aus einem letzten Absatz in Billes Tagebuch.

Die Protagonisten sind bunt gemischt, alle haben sie Eigenschaften, die man lieben kann, alle sind menschlich, niemand ist das Vorzeigeobjekt, das Kind ohne Fehl und Tadel. Das machte sie mir auf unterschiedliche Art und Weise sehr sympathisch. Der Schreibstil ist wundervoll. Weder blumig noch bedeutungsschwanger oder mit erhobenem Finger werden die Schrecken der letzten Kriegstage erzählt. Die Tagebucheinschübe lockern das ganze zusätzlich auf und bringen eine sehr persönliche Note in die Geschichte.

Fazit

Ein großartiges Buch über eine lange Reise, von Freundschaft und Zusammenhalt, vom Erwachsenwerden müssen, von Schrecken und Gefahren der Kriegszeit und den immer begleitenden Gedanken an Zuhause. Jetzt schon ein Jahreshighlight bei mir!

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„Wenn sie einmal nicht geht, geht sie nie mehr. Die ist hin. Völlig ungefährlich.“ Er warf sie in die Höhe, fing sie wieder auf. Dann holte er weit aus und warf sie in hohem Bogen flußabwärts, dass sie fast bis zum Waldrand flog. Sie sahen, wie sie zwischen den Uferbüschen aufschlug, sahen, wie etwas durch die Zweige fetzte, sahen die Explosion, noch bevor sie den Knall hörten, und das jaulende Surren der Splitter.“ (S.267)

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Vielen Herzlichen Dank an das Bloggerportal und an den Penguin Verlag für dieses Rezensionsexemplar!

schnörkel

9 Comments on “[Rezension] Frank Baer – Die Magermilchbande

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