Ausgelöscht [abc-Etüden]

Bereits am Dienstag hatte ich davon erzählt.

Auf dem Blog von Irgendwas ist immer habe ich eine, wie ich finde, supertolle Aktion für alle Schreiberlinge, und solche, die es einfach mal ausprobieren wollen, gefunden. Jede Woche gibt es 3 Worte, aus denen ihr eine kurze Geschichte mit insgesamt nur 10 Sätzen formulieren sollt, könnt, dürft! Gestatten: die abc-Etüden.

Hier könnt ihr meine erste Geschichte gerne noch einmal nachlesen. Ich hatte so viel Spaß dabei, dass ich es nochmal ausprobieren wollte. Dieses Mal ist sie etwas düsterer ausgefallen.

Diese Woche stammt die Wortspende von Ruhrköpfe und lautet: Duschvorhang, Leichenschmaus, Frühlingsgefühle.

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Ausgelöscht

Schutzlos, den neugierigen Augen der Überlebenden ausgeliefert, lagen sie da. Die Trümmer des Lebens, welches die Bewohner des zerbombten Hauses geführt hatten, bevor die Welt für sie unterging. Die Backsteine der Hauswand waren weggerissen worden, die Einrichtung auf der Straße verteilt; ein zerrissener Duschvorhang flatterte einsam im Wind, eingeklemmt zwischen den Überresten eines massiven Holzschrankes. Diane’s Blick irrte unstet umher, sie konnte von ihrem Platz auf der anderen Straßenseite sogar noch die edlen Intarsien im Holz erkennen, während sie verzweifelt versuchte, die Situation zu begreifen.

Nur wenige Augenblicke war es her, als sie noch mit ihrem Freund in dem italienischen Restaurant ihre Verlobung gefeiert hatte, durchdrungen von nie versiegenden Frühlingsgefühlen füreinander.

Sie konnte noch die Flieger hören, die sich langsam entfernten, das Dröhnen der Motoren wurde leiser, während sie sich weiter umsah. Das Restaurant hinter ihr war ebenso in Fetzen gerissen worden wie ihr Liebster, nur sie schien unverletzt zu sein. „Das Einzige, das man hier noch zu sich nehmen kann, ist ein Leichenschmaus“, dachte sie voll Bitterkeit und schlang fröstelnd die Arme um sich.anführung_oben

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8 Comments on “Ausgelöscht [abc-Etüden]

  1. Klasse geschrieben, mein Respekt! Aber ist es realistisch, dass sie nicht als Erstes ihren „zerfetzten“ Liebsten beweint, sondern anscheinend ganz ruhig (und „bitter“) über einen Leichenschmaus nachdenkt? Okay, Schock, aber …
    Liebe Grüße
    Christiane, bisschen fragend, nimm es mir bitte nicht übel

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    • Ich würde sagen, das hängt ganz von der Person ab. 🙂
      Nicht, dass ich schon einmal in solch einer Situation gewesen wäre (Gott bewahre), aber besonders zynische Menschen neigen vielleicht auch in so einer Situation dazu. Vielleicht ist es auch eine Art Schutz, um das Erlebnis nicht weiter an sich heran zu lassen in dem Moment. Wie Menschen, die einen Scherz in einer völlig unpassenden Situation machen, wenn sie sich weigern, die Tatsachen zu akzeptieren.

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      • Ja, da bin ich absolut bei dir, aber falls es deiner Protagonistin so geht, das vermisse ich, dass es durchscheint.
        Nicht falsch verstehen, bitte, das ist absolut Gemecker auf hohem Niveau …

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      • 😀 Du hast scheinbar schon schlechte Erfahrung gemacht, was Kritiken angeht? ^^ Keine Angst, ich bin durchaus fähig, sowas auch anzunehmen. Ich seh sowas als hilfreich an, man kann ja nur lernen, wenn man weiß, was man so alles noch verbessern kann. Ich werd auf jeden Fall nochmal drüber nachdenken und es ggf. ergänzen. 🙂

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      • Ja, habe ich. Und dabei eine Menge über Eitelkeiten gelernt. 😉
        Und wenn jemand einen meiner Lieblingstexte ankratzt, dann kratze ich zurück … nein, aber dann muss ich auch schon schlucken. Von daher weiß ich, dass es leicht ist, etwas persönlich zu nehmen, was gar nicht so gemeint ist, und weniger man die Leute kennt (was bei dir und mir ja noch der Fall ist), desto größer ist das Risiko. Daher bin ich gerade echt erleichtert … 😀
        Liebe Grüße
        Christiane

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      • Natürlich ist das im ersten Moment so ein „Na, aber…!“ – Gefühl 😀 Aber du knallst mir ja nicht nur ein „Find ich blöd“ entgegen, sondern sagst, was man noch verbessern kann aus deiner Sicht. Das kann ich ja dann auch wieder annehmen und umsetzen – oder eben nicht, wenn ich es blöd find. 😀
        Liebe Grüße!
        Gabriela

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  2. Ich muss mich meiner Vorrednerin anschließen: Der Leichenschmaus kommt in Anbetracht des eben verstorbenen Verlobten etwas sehr zynisch daher. 😉 Grundsätzlich hätte ich solche Gedanken eher einem stillen Beobachter zugetraut, der das ganze distanziert beobachtet und nicht gerade eben aus seinem glücklichen Leben gerissen wurde.

    Und noch eine Kleinigkeit, die mir aufgefallen ist: Wenn der Blick der Frau unstet umherirrt, wie kann sie dann dabei so etwas detailliertes wie die Intarsien des Schrankes wahrnehmen? 😉

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