[Writing Friday] Hallo, Du!

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Vermutlich wunderst du dich, wessen Brief du hier in den Händen hältst. Ich stelle mir beim Schreiben dieser Zeilen vor, wie du das Kuvert hin und her drehst, auf der Suche nach einem Absender. Vielleicht schnupperst du daran – ein heimlicher Verehrer mit einem Hang zur romantischen Dramatik vielleicht? Ein Streich? Ein versteckter Hinweis auf ein Rätsel? Doch du wirst nichts gefunden haben, denn ich hinterlasse keine Spuren. Noch nicht.

Fünfzehn Jahre ist es her, seit wir uns das letzte Mal begegnet sind. Fünfzehn Jahre ist eine lange Zeit, auch wenn die meine immer schneller verfliegt. Fünfzehn Jahre, in denen ich mich von dir weg bewegt habe, in denen sich mein Weg erheblich von deinem trennt. Doch hier und da seh‘ ich dich aufblitzen, eine Erinnerung an vergangene Tage. Ich kenne deine Wünsche und Gedanken nicht mehr so gut, doch ich kann dir sagen, dass du dich von einigen von ihnen verabschieden wirst. Öffne dich anderen Dingen, lass die Welt hinein!

Vermutlich wunderst du dich noch immer – wer könnte ich sein? Wer hat die Frechheit, dir zu sagen, was du tun sollst? Denk genau nach, kommt dir meine Handschrift nicht bekannt vor? Schau mal genauer hin, einige Buchstaben haben sich verändert, doch sonst … Macht es nicht klick bei dir, das berüchtigte Geräusch beim Einrasten der Gedanken? Nein. Vielleicht verlange ich zu viel, du bist ja erst Fünfzehn.

Fünfzehn Jahre ist es her, doch wir könnten noch immer die Kleidung tauschen. Darauf bin ich schon ein wenig stolz, ich weiß nicht, ob ich das in weiteren fünfzehn Jahren noch immer behaupten kann. Auch äußerlich unterscheiden wir uns kaum. Nur an den Gedanken von ersten Lachfältchen solltest du dich gewöhnen, lange dauert es nicht mehr!

Meine Liebe, eigentlich gibt es nichts, was ich dir mit auf den Weg geben möchte. Mach deine Erfahrungen, die Guten wie die Schlechten. Du wirst Menschen in dein Leben aufnehmen, die es wert sind, die dich auch Jahre später noch begleiten. Du wirst etwas wundervoll Haariges bekommen, dass jeden deiner Tage ein bisschen heller macht. Du wirst … Doch du wirst auch unschöne Dinge erleben, du wirst weinen und fluchen. Doch sei mutig, erlebe diese Momente, sie gehören zum Leben dazu.

Woher ich das weiß, fragst du dich bestimmt. Weil ich dein Schatten bin. Auch wenn uns Meilen trennen, damals und heute, so bin ich doch du, und du bist ich. Ich sehe die Erinnerung an mich vor fünfzehn Jahren vor mir, ich lausche meinen Gedanken und ich bin froh, sie noch zu kennen. Doch ich bin nicht mehr vollkommen du, ich bin jetzt ich. Jeder hat seine Zeit, ich lernte aus deinen Erfahrungen, die du noch machen wirst. Ich bin nicht besser oder schlechter, ich bin anders und doch bin ich du. Für immer zusammen im Nimmerland, du und ich.

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Der Writing Friday ist eine neue Aktion von readbooksandfallinlove! Jeden Monat gibt es neue Schreibaufgaben, denen man sich widmen kann. Ich habe mir heute einen Brief an mein fünfzehnjähriges Ich herausgesucht. Ihr wollt mehr schreiben und braucht einen Anreiz? Dann schaut vorbei!

 

 

34 Comments on “[Writing Friday] Hallo, Du!

  1. Hey 😌

    Das ist ein sehr schöner Text, den du geschrieben hast. Mir gefällt er richtig gut!
    Mein Beitrag kommt später auch online, geht allerdings in eine ganz andere Richtung, weil ich mir ein anderes Thema ausgesucht habe 😌

    Liebe Grüße
    Janika

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  2. Sehr schön geschrieben. Wenn man so denkt – was alles so passiert ist seit man 15 war. Das ist schon Wahnsinn – das war die Zeit, als ich gerade aufgehört habe Tagebuch zu schreiben – Total uncool. Schade – ich würde gerne in dem ein oder anderen Blättern – das wäre noch ein Tipp am mein jüngeres ICH
    Liebe Grüsse

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    • Danke!
      Das klingt, als hättest du die alten Tagebücher entsorgt irgendwann? Ich habe meine noch. Und wenn es mich packt, ziehe ich das ein oder andere hervor und blättere herum – und bin entsetzt, wie wankelmütig der jüngere Geist doch war 😀

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      • Ja – sie sind irgendwann bei den Umzügen abhanden gekommen – vielleicht liegen sie noch in einer Kiste. Sehr schade – das stelle ich mir nämlich auch interessant vor. 🙂

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  3. Pingback: [#WritingFriday] Januar 2018 – Geschichtszauberei

  4. Hallo Liebes ❤ Als erstes muss ich ja dein Grafik Talent loben, einfach wundervoll wie du diesen "Brief" gestaltet hast! Deinen Schreibstil mag ich ja spätestens seit deinen Geschichten, doch auch hier konntest du mich wieder vollkommen erreichen! Ein wundervoller Text! Bin schon ganz gespannt zu lesen, wie du die anderen Themen lösen wirst!

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    • Huui dankeschön! ☺️
      Die größte Frage war ja wirklich hier, was man sich selbst gern sagen möchte: Und das war erstaunlich wenig auf den ersten Blick bei mir. 😀 Ich bin auch schon gespannt, was ich mir noch raussuchen werde, da ich diese tolle Aktion mit dem Perlentauchen abwechseln werde – aber dann ist auch die Auswahl größer 😀 ❤︎

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  5. Wow, was für ein schöner Brief! Es klingt wie etwas, das man irgendwann einmal seinen 15-jährigen Kindern schreiben kann, in der Hoffnung, dass sie nicht an allem verzweifeln, was im Teenageralter verzweiflungswürdig erscheint. Dein Schreibstil ist toll – von der Gestaltung mit dem Briefkopf ganz zu schweigen. Ich freue mich auf weitere Texte von dir! 🙂
    Liebste Grüße,
    Ida

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    • Oh vielen, vielen lieben Dank! Das ist ein wunderbares Kompliment 🙂
      Das Teenie-Alter ist wirklich anstrengend, so im Rückblick, da hätte mir so eine Aufmunterung durchaus auch gutgetan damals.

      Ganz liebe Grüße!
      Gabriela

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      • Ich finds wirklich interessant wir sehr man sich in 15 Jahren verändern kann (oder auch nicht) und, dass man trotzdem noch der gleiche Mensch ist. Nicht sonderlich besser oder schlechter wie vorher, aber doch etwas verändert.
        Es bringt mich zum Nachdenken, wie sehr sich mein Leben ebenfalls in den nächsten 15 Jahren verändern kann… 😊

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  6. Hallo,
    ein wirklich schöner Brief an die Vergangenheit. Manchmal wünschte ich, man könnte seinem vergangenen Ich wirklich schreiben – denn ich würde meinem fünfzehnjährigen ich schon etwas mitgeben wollen. Oder eigentlich nur eine einzige Sache. Eine Sache, die vieles vielleicht leichter machen würde.
    Aber leider ist das ein Ding der Unmöglichkeit.

    Alles Liebe,
    Smarty

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    • Liebsten Dank! 💕
      Japp, es gibt einige Situationen, die man sich selbst sicher gern ersparen würde. Aber wäre man dann heute, wer man ist? Vielleicht keine unwichtige Frage.

      Liebe Grüße!
      Gabriela

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      • Immer gerne ❤
        Ersparen hätte ich mir nichts gekonnt, da ich eher in der Mitte gefangen war. Ich hätte mir selbst wohl ermutigende Worte und etwas Hoffnung geschickt.
        Ein sehr interessanter Gedanke, den viele oftmals vergessen. Mir ist bewusst, dass ich nur aufgrund dieser schweren Zeit heute diejenige bin, die ich nunmal bin. Trotzdem glaube ich, dass ermutigende Worte nie schaden 🙂

        Alles Liebe ❤

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  7. Hey 🙂
    Woooow!! Ein wirklich toller Brief! Ich musste anfangs schon schmunzeln, konnte mir das ganze wirklich bildlich vorstellen, wie du als fünfzehnjähiges Mädchen diesen Brief drehst und wendest und dann neugierig öffnest!! *.*
    Ich freue mich auf so viel mehr von dir!!

    Liebste Grüße
    Sari

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  8. Pingback: Ich bin du, du bist ich und wer sind wir? – #WritingFriday | Ella Woodwater

  9. Liebe Gabriela,

    wow, welche wundervollen Worte. ❤ Ich bin ganz hin und weg, das ist wirklich toll geschrieben! Und ich würde zu gerne Mäuschen spielen, sollte dein jüngeres Ich, diesen Brief tatsächlich erhalten. Was denkst du, würde es die richtigen Schlüsse ziehen?
    Ich würde es vermutlich für einen seltsamen Scherz halten. ^^

    Liebste Grüße
    Ella

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    • Danke, danke, danke! 💕
      Oh da bin ich mir nicht soooo sicher, ich hatte schon immer den Gedanken, dass es irgendwas noch gibt zwischen unserer Realität. Eine weitere Realität. Vielleicht also auch ein Raum, der es uns ermöglichen würde, mit uns selbst zu einem anderen Zeitpunkt zu sprechen? Ich wünschte, ich könnte es herausfinden 😅

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  10. Das finde ich wirklich schön geschrieben 🙂 Ich freue mich immer, wenn ich Blogs finde, auf deinen auch eigene Texte veröffentlicht werden! Und der „Writing Friday“ klingt nach einer tollen Inspirationsquelle für neue Texte!
    Liebe Grüße,
    Katharina

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  11. Liebe Gabriela,
    einen wirklich tollen und süßen Brief hast du da geschrieben. Er kommt so authentisch rüber, dass ich mehrmals schmunzeln musste, weil ich es so süß fand. Schön! Mein Brief wird eine Herausforderung und ich bin mir noch nicht sicher, wie ich es meistern werde, wahrscheinlich kommt es deswegen später im Monat 😉
    Diese Aktion gefällt mir sehr, es ist wirklich spannend zu sehen, wer was schreibt 🙂
    LG Ümi ❤

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  12. Pingback: [#WritingFriday] Freiheit – lady smartypants

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