Wenn aus Büchern Schätze werden.
Werbung
Erscheinungsdatum Erstausgabe: 22.08.2016
Verlag: Zsolnay, Paul
ISBN: 9783552057951
Fester Einband 480 Seiten
Mehr und mehr schien es, als kommunizierten wir miteinander, indem wir uns aus den Augenwinkeln beobachteten. Wir gingen herum und hatten Angst.
Meine Angst rührte daher, dass ich meinte, weniger und weniger von meiner schwangeren Tochter zu wissen. Und dass sie an mir vielleicht sah, was das Alter mit einem Menschen macht. (.S.179)
Fredrik Welin, ein ehemaliger Chirurg im Ruhestand, wacht eines Nachts auf, als sein Haus über seinem Kopf lichterloh in Flammen steht. Nur mit Mühe schafft er es ins Freie. Die Brandursache ist unklar und schnell gerät der 70jährige in Verdacht, das Feuer selbst gelegt zu haben. Im Zuge der Ereignisse lernt er die Journalistin Lisa Modin kennen und verliebt sich in sie, eine fast halb so alte Frau. Er versucht ihr näher zu kommen und steht sogar eines Nachts vor ihrer Haustür. Zwischen den beiden, die so sehr die Einsamkeit im Inneren teilen, entspinnt sich langsam eine Freundschaft. Auch seiner Tochter Louise kommt er nach dem Brand näher und wird endlich ein Teil ihres Lebens. Doch die Frage, wer das Feuer gelegt hat, bleibt nach wie vor offen. Wie gut kennen wir die Menschen um uns herum?
Henning Mankells letzter großer Roman, so wird dieses Buch angepriesen. Es liest sich, wie ich es mir vorgestellt habe. Ein ruhiges Buch, dass die Probleme des Alterns beleuchtet. Mankell schrieb dieses Buch im Wissen, dass er unheilbar an Krebs erkrankt ist. So lässt es den Schluss zu, dass er sich an Stelle des Fredrik Welin zuweilen selbst stehen sieht. Sein Protagonist verliert sich zeitweise in Überlegungen, die sein Leben und vor allem auch die Zeit danach betreffen. Um ihn herum, verteilt auf den anderen schwedischen Schären in der Ostsee, sind die meisten Menschen in einem Alter, in dem es bald vorbei sein könnte. Und doch ist Fredrik nicht gewillt, klein beizugeben. Er verlässt häufig seine Insel mit der heruntergebrannten Ruine und macht sich auf die Reise ins ferne Paris, der Stadt, die er in früheren Tagen so oft besucht hat. Er verliebt sich sogar noch einmal und hofft auf eine zwischenmenschliche Beziehung, auch wenn diese eher unwahrscheinlich ist.
Der Brand hat endlich das Tor geöffnet, um mit seiner Tochter warm zu werden. Lange haben sie nicht gewusst, wie sie miteinander umgehen sollen und auch jetzt ist noch diese Wand zwischen ihnen spürbar. Und doch gibt es endlich Hoffnung.
Fredrik Welin ist ein Protagonist, den man als grundsätzlich sympathisch bezeichnen kann. Er hat Fehler und er erinnert sich auch immer wieder an Episoden in seinem Leben, in denen er sich daneben benommen hat. Und doch macht ihn das aus, macht ihn zu einem von uns. Einen Menschen. Niemand ist frei von Fehlern, wir alle haben Dinge getan oder werden sie noch tun, die wir im Alter womöglich überdenken oder bereuen werden. Aber macht genau das nicht das Leben aus? Die weiteren Charaktere und Schärenbewohner sind allesamt Sonderlinge, merkwürdige Menschen und Eigenbrötler mit mehr oder weniger liebenswerten Eigenschaften. Viele bleiben blass, auch Sympathien kamen eher nicht bei mir zum Vorschein. Selbst Louise, seine Tochter, schafft es nicht, dass ich sie in mein Herz schließen konnte. Aber vielleicht muss man das auch nicht.
Die Aufklärung des Brandes auf seiner Insel verläuft im Hintergrund, ist eigentlich nicht wirklich Bestandteil des Buches. Viel mehr hat dieses Feuer Fredrik ein wenig Leben geschenkt, ein wenig Hoffnung auf die Zukunft. Denn nun hat er sein Leben wieder ein Stück mehr in der Hand.
Eine Geschichte, klar und schnörkellos geschrieben und doch so bestechend wahr. Eine Geschichte über das Alter, über das Menschsein und die Hoffnung. Streckenweise etwas langatmig und gleichförmig, aber womöglich ist es so, das Alter. Irgendwann, wenn wir selbst 70 sind, werden wir es vielleicht wissen.
Pingback: Monatsrückblick auf den Mai