Wenn aus Büchern Schätze werden.
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Erscheinungsdatum Erstausgabe:09.01.2017
Verlag: Hanser
ISBN: 9783446253865
Fester Einband 608 Seiten
Es ist vorbei. 720 Tage Einschluss in einem abgegrenzten Bereich mit nur 8 Menschen sind überstanden.
Es ist 1994, die Tage von Mission 1 in Ecosphere 2, einem künstlich angelegten Terrarium auf der Größe von zwei Fußballfelder, sind vorbei. Der nächste Einschluss, Mission 2, steht bevor. Wir lernen die neuen Terranauten kennen, die sich wieder für zwei Jahre einschließen lassen, um wissenschaftlich belegt zu erforschen, ob der Mensch in einem geschlossenen Ökosystem überleben kann. Es geht darum, den Ernstfall zu proben. Sollte die Menschheit irgendwann auf einen anderen Planeten angewiesen sein, wie könnten wir unser Überleben sichern. Und doch geht es hier mehr um das Zwischenmenschliche, wie entwickelt sich der Charakter der einzelnen Personen inner- und außerhalb des Terrariums? Wie gehen sie damit um, wenn der Sauerstoffgehalt der Luft dünner wird, wenn die Nahrungsmittel knapp werden? Und wie fühlen sich die, die nicht dabei sein dürfen? Es ist ein Experiment. Ein menschliches.
Ich bin etwas zwiegespalten. T. C. Boyle hat mit „Die Terranauten“ definitiv ein gutes Stück Charakterstudie geschaffen. So – oder so ähnlich – glaube ich gern, dass sich eine Gruppe entwickeln kann. Wenn man zwei Jahre lang nirgendwohin kann, wenn man jeden Tag auf engem Raum miteinander zutun hat, miteinander arbeitet und nach Feierabend eben nicht einfach nach Hause gehen kann, dann glaube ich definitiv, dass man sich früher oder später satt haben kann.
Und doch fand ich zum Ende des Buches eigentlich niemanden mehr sympathisch. Aber vielleicht wollte Boyle uns auch genau das zeigen. Jeder, und kann er noch so sympathisch wirken, verfolgt eigene Ziele, agiert egoistisch und hin und wieder unüberlegt.
Das Buch ist aus der Perspektive von drei Protagonisten geschrieben.
Ramsay, Dawn und Linda.
Linda ist die, die nicht ausgewählt wurde für Mission 2 und somit das gesamte Buch über ihre Frustration, ihren Ärger, ihre Wut und allem voran ihren Neid ausdrückt. Hatte ich anfangs noch Mitgefühl für sie, hat sich das im Laufe der Geschichte in Genervtheit und Unwillen verwandelt.
Ramsay ist der typische Sunnyboy, er ist sich seiner Wirkung bewusst und genießt dies auch in vollen Zügen. Nicht nur, dass er sich an ein Mitglied von Mission Control herangemacht hat, nein, auch bei zwei seiner Teammitglieder hält er die Finger nicht still. Plötzlich spricht er von der großen Liebe, zu Dawn, auch wenn er sich noch wenige Wochen vorher mit einer anderen dort eingelassen hat. Als es dann soweit ist und Dawn schwanger wird, fand ich ihn ganz besonders unmöglich. Die wenigen Sympathiepunkte, die er kurzzeitig ergattern konnte, waren direkt wieder ausgelöscht. Somit verwunderte mich das Ende mit ihm dann auch nicht mehr wirklich.
Dawn. Dawn ist der Stern des ganzen Projektes, auch wenn sich das erst mit der Zeit heraus kristallisiert. Mit ihrer ungewollten Schwangerschaft und dem Entschluss, das Baby zu bekommen, stiehlt sie nicht nur allen anderen Terranauten – bewusst oder unbewusst – die Show, sondern wird auch zum Aushängeschild von E2. Denn wie will man testen, ob der Mensch in einem abgeschlossenen Ökosystem überleben kann, wenn er sich nicht auch dort fortpflanzen könnte? Lange habe ich das Dawn-Fähnchen geschwenkt, doch zum Schluss zerfaserte mir dieses dann auch irgendwie zu Fäden des Unwillens.
Der Rest der Crew bleibt eher im Hintergrund, nur vereinzelt tauchen die vermehrt schlechten Eigenschaften der restlichen Terranauten auf. Ich weiß ehrlich nicht, ob ich es zwei Jahre mit denen ausgehalten hätte, auch wenn ich das Projekt als solches sehr spannend und interessant finde.
Das Buch ist gut geschrieben, keine Frage. Aber man sollte sich bewusst sein, dass es hier vorrangig um die Gedanken der drei genannten Menschen geht, wie sie sich innerhalb der zwei Jahre verhalten und entwickeln, und nicht um das Projekt E2 an sich. Es ist eine Charakterstudie und keine wissenschaftliche Abhandlung. Und die einzelnen Protagonisten sind nur all zu menschlich, aber das macht sie nicht unbedingt sympathisch.
Bewertung: 4 / 5 Sterne ★★★★
Übrigens: Das Buch basiert auf einem wahren Experiment in Arizona.
Klingt schon interessant! Ich wollte das Buch eh noch auf meinen Wunschzettel schieben!
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Interessant war es auf alle Fälle, man muss sich nur mit den Charakteren anfreunden können. 🙂
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Ich wollte einen Wissenschaftsroman lesen und bekam eine Beziehungsklitsche. So hat sich das angefühlt für mich. Bei den Protagonisten ging es mir, wie dir. Leider ein Reinfall. Ich hab es nicht ganz so gut bewertet. Eine schöne Sprache macht noch keinen guten Roman. Seufz.
LG findo
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Rückblickend betrachtet, würde ich das Buch vermutlich auch eher nach unten hin bewerten, soweit es mir noch im Gedächtnis geblieben ist. Für eine Charakterstudie war es gut, für das experiementelle allenfalls okay.
Liebe Grüße!
Gabriela
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