Wenn aus Büchern Schätze werden.
Veröffentlicht am 6. Mai 2017 von Buchperlenblog
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Erscheinungsdatum Erstausgabe : 01.04.1991
Verlag : S. FISCHER
ISBN: 9783100629395
Fester Einband 288 Seiten
„Grau und kalt stand Battus in Famas Laden,
eine mit Lavendel und Steinbrechnelken geschmückte Drohung, dass die Grenze zwischen Traum und Wirklichkeit vielleicht für immer verloren war.“ (S.221)
Inhalt
Ovid, der Dichter Roms, wird in die Verbannung geschickt, nachdem er bei einer öffentlichen Rede nicht dem Imperator Roms seine Huldigungen überbrachte. Er verbrennt sein Meisterwerk der Metarmophosen und bricht auf an das Ende der Welt, nach Tomi.
Nach der Nachricht seines Todes, aus einem Gefühl der Pflicht, des bevorstehenden Ruhmes oder einfach der Langeweile heraus folgt ihm der Römer Cotta einige Zeit später, will den Dichter finden und sein Werk zurück nach Rom bringen.
In Tomi angekommen, findet er nichts als Schweigen vor. Die Menschen reden nicht über den Verbannten. Mit Mühe findet Cotta eines Tages den Weg ins Gebirge nach Trachila, dem letzten Wohnort des Dichters. Bereits hier vermischen sich Realität mit Mythos, denn Cotta findet die ersten Anzeichen der Metarmorphosen in seiner Welt.
Christoph Ransmayr schreibt in einem sehr bildgewaltigen Stil, der zwar nicht als einfach zu bezeichnen ist, jedoch auf mich einen tiefen Sog der Faszination ausübt. In Die letzte Welt vermischen sich Traum und Wirklich, Realität mit Mythos.
Mir sind die Metarmorphosen des Ovid zwar ein Begriff, doch gelesen habe ich bisher keinen Band dieses Epos. Und doch fühlt man sich schnell heimisch, erkennt die Geschichten wieder, die sich in der römischen Mythologie verbergen.
Cotta begibt sich auf die Reise nach dem verschollenen Buch, doch wissen wir, dass dieses Buch nicht verschollen ist in der Realität. Möglicherweise (und das ist nun nur mein Interpretationsstandpunkt) ist der Römer nicht wirklich in Tomi, der eisernen Stadt am Meer. Vielleicht ist er gefangen in den Seiten dieses Buches. Denn als er in Tomi von Bord des Schiffes geht, verschmilzt seine Welt mit der, die uns Ovid in seinen Dichtungen näher bringt. Menschen verwandeln sich in Steine oder Vögel, der Weltuntergang naht und die Natur beginnt, den Menschen von der Oberfläche zu tilgen. Auch spielt Ransmayr gekonnt mit der uns bekannten Realität. Es ist, als würde Cotta in einer Parallelwelt leben. Auf der einen Seite lebt er im – wie es scheint – antiken Rom, welches vom Imperator Julius Caersar beherrscht und regiert wird – andererseits gibt es in dieser Welt bereits Mikrophone, Antennen, Busse und Filmvorführungen. Wie das zusammenpasst? Gar nicht. Und doch nimmt man es beim Lesen hin und gerät selbst immer mehr in diese andere Welt, in eine, die sich nur hinlänglich von unserer unterscheidet.
Vielleicht ist es eine Reise zu sich selbst, denn das Buch hat ein sehr offenes Ende, ein Ende, welches mich sehr ratlos zurückgelassen hat.
Sehr aufschlussreich fand ich, als Nichtkenner der Metarmorphosen, dass am Ende des Buches ein Glossar angefügt ist, in dem Ransmayr seine Figuren mit denen der Metarmorphosen vergleicht und tatsächlich: die Geschichten und Schicksale ähneln sich. So war es doch sehr spannend zu erleben, wie diese Figuren aus der einen in die anderen Welt gebracht wurden, wie Cotta sie kennengelernt hat, obwohl sie vermeintlich nicht existieren.
Kein Buch für nebenher, vielmehr ein Buch zum Nachdenken. Es überzeugt durch seine wunderbare Sprache und seine Bilder und wer sich für die römische Mythology interessiert, wer ggf. die Metarmorphosen bereits gelesen oder in ihnen geblättert hat, dem kann ich hierzu nur raten.
Kategorie: Rezensionen, RomaneSchlagworte: antike, bücher, buch, christoph ransmayr, das ende der welt, die letzte welt, metarmorphosen, neuzeit, ovid, realtität, rom, roman, traum, verschollenes buch, wahrnehmung
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Wie schön, dass du dieses postmoderne Glanzstück mit aufgenommen hast. Schwierig ist vielleicht erst einmal, sich darauf einzulassen, dass es nicht rein historisch, sondern wunderbar verschoben ist. Ich würde dir beipflichten, dass es sich aber, gerade weil der Text manchmal etwas Widerstand leistet, um so spannender zu lesen ist. 🙂
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Man muss dem ganzen tatsächlich etwas Zeit einräumen, aber allein die Sprache von Ransmayr belohnt den Leser dann doch schon über alle Maßen. 🙂
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Na, ein ’sich‘ zu viel hat sich eingeschlichen.
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Ich habe „Die letzte Welt“ kürzlich für mich nach nach 29 Jahren wieder entdeckt und lese nun die Erstausgabe von 1988. Als ich seinerzeit durch eine Literatursendung im Fernsehen darauf aufmerksam wurde, kannte auch ich Ovid noch nicht. Aber ich habe Die letzte Welt sofort gekauft und verschlungen.
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Man kann ja auch immer noch etwas dazu lernen, wenn man es vorher nicht kannte 🙂
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