Alltagsrassismus als Thema in einem Jugendbuch – klasse!

Werbung | Autor: Kathrin Schrocke | Titel: Weiße Tränen |
Übersetzung: / |
Erscheinungsdatum: April 2023 | Verlag: mixtvision |
240 Seiten | Genre: Jugendbuch, ab 13 Jahre |

„Ich meine, wo kommst du wirklich her?“, fragte er, während er ein Bonbon entpackte. „Somalia oder Ghana, vermute ich?“
„Nein“, sagte Benjamin. „Ich bin in Leipzig geboren. Meine Mutter ist auch in Leipzig geboren.“
(S.23)


Inhalt
Der sechzehnjährige Lenni lebt mit seiner Familie in einem kleinen Ort im Schwarzwald. Zu Beginn des neuen Schuljahrs kommt ein neuer Schüler zu ihnen in die Klasse. Benjamin, der plötzlich alles auf den Kopf stellt, der offen den Rassismus der Menschen und Lehrer anprangert und sowohl Lenni als auch seine Mitschüler zum Nachdenken anregt.
Rezension
Alltagsrassismus
Na? Haltet ihr euch auch für moderne, aufgeklärte, Rassismus strikt ablehnende Menschen? Ja? Prima, ich mich auch. So wie auch Lenni, dessen bester Freund Serkan türkische Eltern hat. Lenni, der daran glaubt, an einer Schule zu lernen, die das Label Schule ohne Rassismus trägt – und das doch sicher aus Gründen, nicht wahr? Schließlich sind wir besser als noch die Generation unserer Eltern. Und doch… Als Benjamin, dessen Hautfarbe eben schwarz ist, an die Schule kommt, da beginnen bereits die kleinen Vorurteile im Hirn der Jugendlichen zu rattern. Louisa zum Beispiel nimmt sogleich an, dass Benjamin bestimmt richtig gut tanzen kann. Klingt erstmal nicht negativ, ist aber definitiv ein Vorurteil, über das sich Benjamin auch zu Recht aufregt. Und so geht es weiter, Dinge, die Schüler und Lehrer mit seiner Hautfarbe verbinden, die sie einfach ungefragt annehmen. Und wenn sie darauf angesprochen werden, dann haben sie es doch gar nicht böse gemeint. Der Titel dieses Buches lautet Weiße Tränen, ein Begriff, der hier wie die Faust aufs Auge passt.
Denn es geht in diesem Jugendbuch nicht nur über den ausgesprochenen Rassismus, der eben auch nach wie vor selbst die jüngeren Generationen (und eben nicht nur alte weiße Menschen) beherrscht, sondern auch über das Gefühl von uns Weißen, die sich ungerecht behandelt fühlen, weil sie ein Klischee ausgesprochen haben, das aber doch gar nicht negativ gemeint war. Ich, ein Rassist? Wie kannst du es wagen! Es war doch als Kompliment gemeint, dass ich dachte, dass du gut tanzen / kochen / trommeln kannst.
Der neue Schüler eröffnet nun also die Konfrontation mit dem gelebten Alltagsrassismus. Und auch Serkan wird mutiger, gibt offen zu, dass er von anderen Menschen angefeindet wird, verborgen hinter gutgemeinten Witzchen oder in aller Öffentlichkeit. Was man in diesem Buch findet, sind verschiedene Formen von Rassismus, von alten Menschen, von der Generation „früher haben wir das noch so genannt und das war vollkommen in Ordnung!“ bis hin zur Jugend, die vieles besser machen will und trotzdem noch im gleichen Sumpf steckt. Die aber hoffentlich zumindest bereit ist, dazuzulernen.
Bei all den wichtigen Themen ging für mich die eigentliche Story manchmal etwas unter, zu oft kamen die Vorwürfe mehr zu Wort als der Plot an sich. Oder vielleicht, vielleicht war auch dieses Empfinden von mir eine Art der weißen Tränen, die sich dachten: Jetzt muss doch aber auch mal wieder gut sein.
Nein. Muss es nicht. Und dafür ist dieses Buch gedacht.
Fazit
Im mixtvision Verlag erscheinen immer wieder Jugendbücher, die sich schwieriger Themen annehmen, um sie Kindern und Jugendlichen näherzubringen. Auch Weiße Tränen reiht sich in diese Reihe ein, und das macht das Buch schon verdammt gut.
Bewertung im Detail
Handlung ★★★★☆ ( 4 / 5 )
Atmosphäre ★★★★☆ ( 4 / 5 )
Charaktere ★★★★☆ ( 4 / 5 )
Sprache ★★★★☆ ( 4 / 5 )
Emotionen ★★★★★ ( 5 / 5 )
= 4.2 ★★★★

Herzlichen Dank an den mixtvision Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars!






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