[King-Universum] Sie

Werbung | Autor: Stephen King | Titel: Sie |
Übersetzung: Joachim Körber |
Erscheinungsdatum: 1987 | Verlag: Heyne |
528 Seiten | Genre: Psychothriller |

Bewertung: 5 von 5.

„Mein Name ist Annie Wilkes. Und ich bin …“
„Ich weiß“, sagte er. „Sie sind mein größter Fan.“
„Jawohl“, sagte sie lächelnd. „Ganz genau das bin ich.“

(S.18)

Inhalt

Paul Sheldon, ein besonders für seine Misery-Romane bekannter Schriftsteller, baut betrunken einen verheerenden Autounfall. Zum Glück findet ihn Annie Wilkes, und nimmt ihn kurzerhand mit nach Hause. Auf ein entlegenes Grundstück, in ein Gästezimmer, dass er für sehr lange Zeit nicht mehr verlassen wird.

Rezension

Ein blutiges Kammerstück

Auf Misery habe ich mich schon sehr lang gefreut. Die filmische Umsetzung mit Kathy Bates ist – ähnlich wie Shining – in meinen Augen eine der besseren King-Verfilmungen, und umso gespannter war ich, welch psychologische Finessen sich noch so zwischen den Buchdeckeln verbergen mochten.

Und die bekam ich auch! Denn Annie Wilkes ist nicht nur das durchtriebene Miststück, das sie im Film gibt, sie ist noch weitaus schlimmer. Während sie Paul – Paulie – Sheldon pflegt (und das einher geht mit der Sucht nach Schmerzmitteln, Vernachlässigung, Angst und psychischem Terror, und dem Verlust von diversen Körperteilen) und er im Laufe der Geschichte von ihr dazu genötigt wird, einen weiteren verhassten Misery-Roman zu schreiben, offenbahrt sie eine seltsam verletzliche Seite in ihrem Inneren. Auch schaltet sie immer wieder kurz ab, Stecker raus, Stille. Woher kommt das? Tatsächlich hätte ich mir gewünscht, dass King diese Aspekte weiter vertieft hätte. Warum ist Annie, wie sie ist? Was hat sie dazu gemacht? Ist sie von Geburt an böse? Welches dunkle Nichts verbirgt sich hinter ihrem Gesicht?

Aber auch ohne diesen Weg zu beschreiten, füllen sich die Seiten dieses 2-Personen-Stücks mit Bravour, werden nicht langweilig, im Gegenteil. Die Atmosphäre wächst mit der Anzahl der verstreichenden Monate immer weiter an, es scheint für Paul – und auch Annie – keinen Ausweg mehr zu geben. Dazwischen immer wieder blutige Eskalationen, die uns die Hände vor den Mund schlagen lassen.

Das große Finale ist dann auch weitaus dramatischer als im Film dargestellt, und ich habe Paul seine emotionalen und körperlichen Belastungen absolut abgekauft. Ich selbst hätte nie wieder Frieden gefunden.

Übrigens: Das abgebrannte Overlook Hotel aus Shining ist gar nicht weit von Annies Haus entfernt, und der vom Wahn befallene Hausmeister Jack Torrance findet eine kurze Erwähnung in SIE.

Übrigens, Nummer 2: Den etwas unstimmigen deutschen Titel SIE statt Misery bekam der Roman, weil der Verlag an die Erfolge des zuvor erschienenen ES erinnern und anknüpfen wollte. Auch sollte SIE ursprünglich unter dem kingschen Pseudonym Richard Bachman erscheinen, jedoch wurde dessen Identität kurz zuvor enttarnt.

Fazit

Ein gelungenes Kammerstück, welches mit vielen psychologischen Abgründen aufwarten kann. Sowohl Paul Sheldon als auch Annie Wilkes sind dreidimensionale Figuren, mit ihren positiven und negativen Seiten. Hier und da hätte ich gern einen tieferen Blick in Annies Inneres geworfen, aber ansonsten ist das Buch ein großes, teils recht brutales Lesevergnügen, das mit den Ängsten eines Schriftstellers gekonnt zu spielen weiß.

Bewertung im Detail

Idee ★★★★★ ( 5 / 5 )

Handlung ★★★★★ ( 5 / 5 )

Charaktere ★★★★☆ ( 4 / 5 )

Sprache ★★★★★ ( 5 / 5 )

Emotionen ★★★★★ ( 5 / 5 )

= 4.8 ★★★★★

weitere Meinung

Powerschnute | Lesenmachtglücklich |

schnörkel

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9 Comments on “[King-Universum] Sie

  1. Hey Gabriela!
    Eine tolle Rezension zu einem tollen Buch. 🙂 „Sie“ muss ich unbedingt demnächst re-readen, ist schon so lange her … Und klasse, dass du auch den Film mit einbeziehst (Caan und vor allem Bates spielen sich ja fast gegenseitig an die Wand), den ich auch für einen der besten aus dem King-Universum halte. Wäre „Sie“ tatsächlich unter Pseudonym veröffentlicht worden, wäre es vermutlich Bachmans mit Abstand bester Roman geworden. 😀
    Liebe Grüße
    Tina

    Gefällt 1 Person

    • Huhu Tina!
      Danke dir! ❤️ SIE ist auf meiner Favoritenliste auf jeden Fall sehr weit oben gelandet, ich finde es grandios wie dicht King die auf wenige Quadratmeter beschränkten Szenen geschrieben hat. Den Film muss ich mir allerdings mal wieder anschauen, irgendwie vermischen sich in meinem Kopf langsam Buch und Film Szenen miteinander 😄

      Alles Liebe!
      Gabriela

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  2. Hallo Gabriela,
    jetzt muss ich bei Dir auch mal wieder kommentieren. Ich husche immer still und heimlich über Deine Beiträge. Großes Sorry dafür!
    „Misery“ ist, neben „IT“, „Friedhof der Kuscheltiere“ und „Stand by me“ (und noch drölfzig anderen Büchern) mein absoluter Favorit. Habe es inzwischen schon 3x gelesen, zum ersten Mal mit 13, und ich habe es jedes Mal geliebt und mit Paul mitgefühlt – im wahrsten Sinne.
    Den Film fand ich auch genial und Kathy Bates zählt seit jeher zu meinen Lieblingsschauspielerinnen.
    Tja, und nun habe ich zum 4. Mal Lust dieses Buch zu lesen und mich mit Paul in das Haus von Annie zu begeben.
    Dass das Buch unter seinem Pseudonym erscheinen sollte wusste ich gar nicht. Aber so oder so wäre es ein Renner gewesen.

    Liebe Grüße aus Wien
    Conny

    Gefällt 1 Person

    • Huhu Conny!
      😀 Ach, aber ich freue mich auch über die stillen Herumhuscher ♥
      Wow, 3mal! Da zeigt sich, wie gut King dieses Buch geschrieben hat, wenn man grundlegend um Annies Abgründe weiß und sie doch immer wieder besichtigen will. Aber ich bin mir sicher, dass ich auch früher oder später in dieses entlegene Haus in der Nähe von Sidewinder zurückkehren werden.

      Solltest du also erneut zu Misery greifen, dann wünsche ich dir schon jetzt wunderbar schaurige Lesestunden – und solltest du jemals hinter Annies wirklich wahrhaftige Psyche blicken können, sag mir gern bescheid =)

      Alles Liebe!
      Gabriela

      Gefällt 1 Person

  3. Misery ist so toll! 🙂
    Da habe ich mal vor Jahren eine Theateraufführung zu gesehen und die war einfach klasse umgesetzt. Ich freue mich schon wenn ich das als Hörbuch genießen kann, denn gelesen habe ich das Buch schon. 🙂
    Liebe Grüße
    Diana

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