[Augen Auf] Eine Überlebende spricht über unerfüllte Wünsche

Liebe LeserInnen!

Truddi Chases Buch Aufschrei ging mir tief unter die Haut. All die Qualen, die unausgesprochenen Leiden, die versteckten Zufluchtsorte tief im Inneren, und die aus all dem resultierende, dennoch vorhandene Stärke, haben die Lektüre ihres Werkes zu etwas ganz besonderem gemacht, für das ich diese großartige Frau stets bewundern werde. Da Truddi Chase bereits 2010 verstorben ist, öffnet heute eine Andere ihr Herz für euch, und erzählt von unerfüllten Wünschen aus einer Kindheit, die keine war.

Ich bin Überlebende von sexueller Gewalt in meiner Kindheit durch einen nahen Verwandten. Eine Person, die mir eigentlich Schutz hätte bieten sollen, hat mich jahrelang missbraucht. In meiner mittlerweile langjährigen Trauma-Therapie sind auch oft meine vergeblichen Versuche, als Kind Hilfe zu bekommen, ein Thema. Denn auch diese Erfahrung sitzt sehr tief und schmerzt. Auf der verzweifelten Suche nach Hilfe keine zu bekommen. Ein Kind, das sexuelle Gewalt erlebt, kann nicht sagen „XY vergewaltigt mich“. Es besitzt diesen Wortschatz nicht und es weiß auch nicht, was das, was da passiert, eigentlich ist.

Ich hätte jemanden gebraucht, der aufmerksam ist.
Ich hätte Erwachsene gebraucht, die sehen, dass ich mit Puppen im Kindergarten Erlebnisse nachspiele. Ich hätte Erwachsene gebraucht, die nachfragen, warum ich kein Kleid anziehen will. Die sich fragen, warum ich nachts immer Angst vor der Hexe habe, die mir die Decke wegzieht und mich zum Hexenmann bringt. Ich hätte einen aufmerksamen Arzt gebraucht, der keinen „Verdacht auf Blinddarmentzündung“ diagnostiziert, der sich im Krankenhaus nicht bestätigt, sondern genauer hinsieht, was die Ursache der Bauchschmerzen einer Vierjährigen sind. Ich hätte Erwachsene gebraucht, die meine blauen Flecken nicht auf mein Ungestüm und meine Tollpatschigkeit schieben. Ich hätte mutige Erwachsene gebraucht, die bei meinen Signalen aufhorchen. Mutige Erwachsene, die mich geschützt und beschützt hätten. Mutige Erwachsene, die versucht hätten, mich zu verstehen und meine Signale in der Summe ernstgenommen hätten. Stattdessen hatten die Erwachsenen in meinem Umfeld Angst, zu sehen und zu wissen. Und sie hatten Angst, den Herrn Professor und seine Frau falsch zu beschuldigen und sich zu irren.

Wie schön wäre es gewesen, sie hätten genug Mut gehabt und sich vielleicht geirrt! Was habt ihr zu verlieren, verglichen mit dem, was das Kind verliert, welches seinen Missbrauchern weiterhin ausgesetzt bleibt?

Seht nicht weg, schaut hin und habt genug Mut, Kinder zu schützen, denn sie können es nich selbst!

Sexuelle Gewalt findet überall statt. Gestern, jetzt und morgen auch.

Die Anzeichen können so vielfältig sein. Subtil und nicht gleich offensichtlich. Aber sie sind da und jedes Kind wird Wege finden, sich mitzuteilen. Die Erwachsenen müssen es nur sehen (wollen).

Vielen lieben Dank an die Überlebende, dass sie sich die Zeit genommen hat, um uns noch einmal deutlich vor Augen zu führen, was passiert, wenn man nicht hinschaut. Deshalb an dieser Stelle noch einmal die Bitte an euch alle: Macht die Augen auf. Helft, wo Hilfe benötigt wird.

>> Hier gelangt ihr zur Rezension von Truddi Chases Buch Aufschrei <<


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Truddi Chase – Aufschrei | Eine Überlebende spricht über unerfüllte Wünsche

6 Comments on “[Augen Auf] Eine Überlebende spricht über unerfüllte Wünsche

  1. Pingback: [Augen auf] Truddi Chase – Aufschrei – Buchperlenblog

  2. Meine liebste Gabriela!
    Diese Beitragsreihe war das heftigste, was ich auf einem Blog je gelesen habe – absolut nicht leicht verdaubar, und so soll es auch sein! Ich finde es wahnsinnig mutig von dir, dass du dich dieser verschiedenen Themen angenommen hast und dabei geholfen hast, Betroffenen eine Stimme zu geben und allen anderen die Augen zu öffnen für die Grausamkeiten dieser Welt. Danke, dass du uns mit hinter die Kulissen genommen hast, und Betroffenen wie Experten eine (liebevolle!) Plattform gegeben hast.
    Mach immer so weiter und fühl dich gedrückt. ❤

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    • Meine liebste Ida! ♥
      Ich danke dir von Herzen für deine lieben Worte, die mir zeigen, dass es richtig war, einen Monat lang zu versuchen, die Augen aller LeserInnen hier ein wenig mehr zu öfnnen. Ich bin froh, diesen vier wunderbaren Menschen ein paar Zeilen gegeben zu haben und ich hoffe, dass ihre Botschaften in den Herzen von vielen ankommt. ♥

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  3. Pingback: [Rezension] Liz Coley – Scherbenmädchen – Buchperlenblog

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