Wenn aus Büchern Schätze werden.
Ich bin ein Mensch, dessen Kindheit von Trickfilmen der besonderen Art geprägt war. Ich wuchs auf mit dem Wissen, an jedem Weihnachtsfest einen weiteren Film über kleine und große Helden, mit viel Gesang und einer guten Prise Herzschmerz dem stetig wachsenden Repertoire heimischer Videokassetten hinzufügen zu können. Die Rede ist – selbstverständlich – von Disney.
Auch heute schaue ich mir die liebgewonnenen Geschichten gerne immer und immer wieder an, singe aus vollem Hals mit und weine um die Verlorenen. Doch mich interessieren nun die Geschichten, die dahinterstecken. Welches Buch war ausschlaggebend für welchen Film? Und wie wurde die Geschichte umgesetzt? Dem möchte ich in dieser Beitragsreihe nachgehen. Werfen wir einen Blick hinter die Kulissen, suchen wir gemeinsam The Story Behind.
Das Dschungelbuch kam 1967 auf die große Kinoleinwand und ist damit der 19. abendfüllende Zeichentrickfilm des Hauses Disney. Außerdem ist es der letzte Film, der unter der Leitung des Gründers und Namensgebers Walt Disney entstand. Das Dschungelbuch in der Disney-Variante verknüpft lose einzelne Kapitel des Dschungelbuches miteinander und entwickelt dadurch ein etwas anderes Gefühl für die Geschichte, als es das Original von Rudyard Kipling vermag.
Die erste Version, die auf den Storyboards Disneys entstand, hielt sich formal sehr viel mehr an das düster angehauchte Original, denn es die letzliche Filmversion tut. Doch vieles davon war Walt Disney zu wenig unterhaltsam, so dass er schlussendlich einen personellen Wechsel vorzog, um dem Film die heute so beliebte Fröhlichkeit zu geben.
Probier’s mal mit Gemütlichkeit, mit Ruhe und Gemütlichkeit
Jagst du den Alltag und die Sorgen weg
Und wenn du stets gemütlich bist
Und etwas appetitlich ist
Dann nimm es dir egal von welchem Fleck.
(Das Dschungelbuch)
Das Findelkind Mogli wird von einem Rudel Wölfe aufgezogen, es lebt und jagt mit ihnen und lernt so auf spielerische Art und Weise im Dschungel zu überleben. Jedoch lauert der Todfeind schon, denn der Tiger Shir Khan kehrt zurück in den Dschungel und hat nichts besseres im Sinn als das Menschenkind zu töten. Menschen sind seine Feinde, seit sie ihm den Pelz verbrannten.
Nun liegt es an dem Panther Baghira und Faulpelz Balu, Mogli unbeschadet zurück zur Menschensiedlung zu bringen. Dass Mogli damit nicht einverstanden ist, zeigt sich durch die vielen Abenteuer, die folgen sollen. Dabei lebt der Film sehr von der schmissigen Musik, die sich als Ohrwurm über Jahre hinweg im Gehör festsetzt und immer wieder fröhlich an die Oberfläche sprudelt.
1894 veröffentlichte Rudyard Kipling eine Sammlung Kurzgeschichten, die zusammengenommen das Dschungelbuch bilden. Natürlich geht es hierbei auch um den Jungen Mowgli, der bei Wölfen aufwuchs, doch auch andere Tiere erhalten ihre Episoden. Zum Beispiel folgt man der weißen Robbe Kotick, die den Gräueln der Robbenjagd quer über den ganzen Erdball entfliehen will. Auch lernt man einen kleinen Mungo kennen und Toomai, einen Elefanten.
Jedenfalls fragte er Mowgli, als der tief im Dschungel an seiner Seite lag, den Kopf auf Bagheeras schönes schwarzes Fell gebettet: „Kleiner Bruder, wie oft habe ich dir schon gesagt, dass Shir Khan dein Feind ist?“
„Mindestens einmal für jede Nuss, die dort drüben an der Palme hängt“, erwiderte Mowgli, der ja nicht zählen konnte.
(Rudyard Kipling – Das Dschungelbuch | S. 30 )
Dass Disney sich lediglich für die Geschichten rund um Mowgli entschied, trägt sicher zur Einheit des Films bei, da die anderen Geschichten doch in keinem weiteren Bezug zueinander stehen. Doch selbst hier finden sich viele Variationen des ursprünglichen Stoffes. So ist Mowgli (dieses Wort bedeutet übrigens Frosch, die Wolfsmutter findet den Namen passend für ein haarloses Menschenkind) nicht nur ein Findelkind im Wald, sondern schon früh das Opfer Shir Khans. Dieser griff die Eltern Mowglis an, so dass sie ihn im Wald zurückließen in wilder Panik. Das Wolfsrudel akzeptiert ihn als einen der ihren, und so lebt er fortan mit ihnen. Doch Shir Khan umschleicht das Wolfsrudel und wartet nur auf die Chance, selbst die Machtposition zu erhalten. Als der alte Leitwolf seine Rolle nicht mehr übernehmen kann, kommt es zum Komplott, bei dem Mowgli von sich aus begreift, zurück zu den seinen zu müssen. Dort lernt er allerhand menschliche Raffinesse, schwört jedoch Rache an Tiger und Verrätern.
Auch die Schlange Kaa hat eine etwas andere Rolle von Kipling zugedacht bekommen. Sie ist Mowgli nicht gefährlich, denn der versteht die hypnotische Wirkung der Kobra nicht. Vielmehr locken er, Bagheera, Baloo und Kaa die kidnappende Affenbande in eine ziemlich gemeine Falle, die zeigt, wie gefährlich diese Riesenschlange tatsächlich sein kann.
Mit Hilfe einer List übertölpelt Mowgli schlussendlich den Tiger, ergattert dessen Pelz und wird von den Menschen verstoßen. Nun ist er frei vom Volk des Wolfes und dem der Menschen und bestreitet sein Leben an der Seite seiner vier Wolfsbrüder allein im Dschungel.
Besonders interessant ist die List, die Mowgli ersinnt, um Shir Khan zur Strecke zu bringen. Er positioniert eine Herde Büffel an einem Abhang, und als die Zeit gekommen ist, hetzt er sie diesen hinab, dem ahnungslosen Tiger auf den Pelz. Der, ihr ahnt es schon, hat keine Chance unter den vielen dahin donnernden Hufen. Wem kommt diese Szene nun bekannt vor? Richtig, sie erinnert stark an die große Falle, die Scar seinem Löwenbruder und König des Geweihten Landes im König der Löwen stellt!
Während man in der Disneyversion des Dschungelbuchs von einer musikalischen Einlage zur nächsten gelangt, zeigt sich das wahre Dschungelbuch als weitaus düsterer und gefährlicher. Wilde Tiere bleiben wild und gefährlich. Auch die anderen Episoden haben es durchaus in sich und zeigen Rudyard Kiplings Verständnis für so manchen Missstand in der Beziehung zwischen Mensch und Tier. Disney dagegen kitzelt an den richtigen Stellen die Freude und das Miteinander aus dem literarischen Stoff und schafft somit einen rundum gelungenen Film, der weniger die Schatten- als die Lichtseiten des Dschungels zeigt.
Disneys abendfüllende Zeichentrickfilme im direkten Vergleich zu ihren literarischen Vorlagen:
The Story behind.
Mehr Beiträge zu dieser Reihe gibt es hier:
Cap & Capper: Fuchs und Hund – Freunde oder Feinde?
101 Dalmatiner: Wertvoll gepunktet
Dumbo: Ich hab viel gesehen auf dieser Welt, …!
Bambi: Von Reh zu Hirsch
Aladdin: Der ungeschliffene Diamant
Arielle: Unter dem Meer
Robin Hood: Im wilden Sherwood Forest
Das Dschungelbuch: Dschungelgeschichten
und jetzt habe ich einen Ohrwurm für den Rest des Tages xD
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😀 Den hab ich schon seit dem Wochenende, sei getröstet!
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ich hab mich nicht beschwert 😀 ich liebe dieses Lied. ❤
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Hej, wie schön! Das Dschungelbuch als Disneyfilm lief bei uns früher auch rauf und runter. Schon wenn ich nur die exotische Musik zu Beginn des Films höre, bekomme ich heute noch Gänsehaut. 😀 Die Buchvorlage liegt noch ungelesen im Regal – aber dank deines Beitrags habe ich es jetzt wieder auf dem Schirm. 😉 Kennst du eigentlich die Realverfilmung vom Dschungelbuch? Die ist auch relativ düster, aber richtig, richtig schön. 🙂
Mach dir einen tollen Tag! ❤
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Tatsächlich ist die Filmmusik vom Beginn noch aus den ersten Inszenierungen geblieben und zeigt, wie düster der Film ursprünglich angelegt war! Kein Wunder also, dass dich da die Gänsehaut überkommt.
Die Realverfilmung fand ich auch sehr gelungen, dieser riesenhafte Affe war sensationell – und die düstere Variante des Liedes gleich mit!
Du dir ebenfalls! ♥
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Das hab‘ ich mir fast gedacht! Die Musik passt nämlich eigentlich so gar nicht zur restlichen musikalischen Untermalung des Films, malt aber direkt am Anfang ein etwas unheimliches Bild. Find ich richtig cool. 😀
Oooh ja, dieser Orang-Utan war sehr beeindruckend – den habe ich in der Disney-Version als nicht sooo gruselig empfunden. 😀
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😀 Da war der eher amüsant, ja! Zu diesem hab ich zB auch gelesen, dass King Louis ursprünglich für Louis Armstrong angelegt wurde, aber man dann befürchtete, dass die Besetzung des Affenkönigs mit einem dunkelhäutigen Sängers als Affront gewertet werden könnte. Verrückte Welt!
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Irgendwie überrascht mich das nicht. Gab ja auch Leute, die dafür gesorgt haben, dass „Die kleine Hexe“ neu aufgelegt wurde, weil da ein kleiner ‚Zigeuner‘ und ein ‚Negerkind‘ herumgelaufen sind. Und die muss man ja umbenennen, weil Stigma und alles und Kinder könnten ja total verstört werden davon) – in der Tat verrückte Welt! -.-‚
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Ahoi Gabriela,
danke wiedermal für den wunderbaren Beitrag! Total spannend, diese Film- und Buchvergleiche, besonders bei älteren Büchern/Klassikern ^^
Ich probier´s dann mal mit Gemütlichkeit…
Liebe Grüße
Ronja von oceanloveR
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Huhu Ronja!
Sehr gern ♥ Ich gestehe, ich mache diese Beiträge auch total egoistisch, ich liebe all diese Fakten, die man bei so einem Vergleich herausfindet! EIn Glück warten noch sehr viele weitere Bücher und Filme auf mich!
Liebe Grüße!
Gabriela
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Das Dschungelbuch habe x Mal mit meinem Onkel gesehn. Das Buch wollte ich schon immer mal lesen, aber irgendwie wollte ich immer an der schönen Disneywelt festhalten .
Wieder ein sehr spannender Beitrag.
Grüße, Katharina
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Huhu Katha!
Ja, manchmal hat man Angst, die schöne Welt kaputt zu machen, geht mir auch so! Aber ich seh es eher als Bereicherung, so hat man noch viel mehr von der Geschichte am Ende. Und bisher hat es mir noch keinen Film kaputt gemacht ❤️
Liebe Grüße!
Gabriela
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Das Dschungelbuch habe ich mit meiner Großen Tochter oft angeschaut, das hat uns so gut gefallen!! Und auch die spätere Realverfilmung fand ich sehr gelungen.
Interessant ist das Buch von Kipling, gelesen habe ich es noch nie.
Liebe Grüße Anett.
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Na dann wäre das jetzt vielleicht der genau richtige Zeitpunkt dafür 🙂 Besonders in der wunderschönen Aufbereitung aus dem Coppenrath ist es an sich schon ein Highlight ♥
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Hallo Gabriela,
vor kurzem haben wir das erste Mal das Dschungelbuch zusammen mit unserem Krümel gesehen. Und die alten Disneyfilme sehen ist wie nach Hause kommen finde ich.
Auf unserer Blu-Ray ist sogar ein Ende drauf, was dann später rausgeschnitten wurde, da kann man sehr gut sehen, wie der Film vorher von Disney angelegt war.
Das Buch vom Coppenrath Verlag steht auch in meinem Regal, dass muss ich jetzt auch mal lesen. Außerdem die Realverfilmung ansehen. 😀
Liebe Grüße
Diana
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Guten Morgen! 🙂
Hach ich liebe diese Extras auf den DVDs/BlueRays! Gerade auxh alternative Enden, oder Details die da gezeigt werden, sind so interessant! Schön, dass ihr diesen Film an den Krümel weitergebt ❤️
Liebste Grüße!
Gabriela
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Klar, nach und nach werden alle Disney Filme mit ihm geschaut. 😉
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Die Freiheiten, die sich Disney genommen hat, um eine Geschichte Familien- und Kinderfreundlich zu machen, sind doch immer wieder spannend 😉
Btw: Hat zwar jetzt nicht direkt mit dem Dschungelbuch zu tun, aber was von Kipling ebenfalls empfehlenswert ist, ist „Kim“. Dort hat er die Atmosphäre von indischen Großstädten und Orten ganz wunderbar eingefangen.
https://kapitel7.de/rudyard-kipling-kim/
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Hallo Flo!
Sind sie in der Tat, umso interessanter ist die ganze StoryBehind-Reihe für mich selbst 🙂
Danke auf jeden Fall für den Tipp, den schau ich mir gern mal an bei Gelegenheit!
Liebe Grüße!
Gabriela
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Hallo meine Liebe,
ich liebe deine Disney-Beiträge so sehr und vielen Dank für den tollen Ohrwurm der mich jetzt durch den Tag begleiten wird 😀
Mich haben die Differenzen zum Disney-Film, bzw. wie Disney überhaupt die Umsetzung des Dschungelbuchs angegangen ist auch baff gemacht. Eigentlich hat er lediglich einige essentielle Bestandteile aus dem Original herausgelöst und daraus seinen ganz eigenen zauberhaften Film erschaffen. Beides für sich ist ganz großes Kino.
Habe jetzt richtig Lust bekommen den Film anzuschauen XD
Liebe Grüße
Bella
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Hach, ein so wunderbares Kompliment… ♥ Dankeschön!
Es ist erstaunlich, wie viel solche kleinen Details auch an der gesamten herrschenden Stimmung ausmachen können, nicht wahr? Dabei folgen beide Versionen doch grundlegend dem gleichen roten Faden. Für den Film kann man sich immer Zeit nehmen ♥
Und hier noch ein Ohrwurm für dich … Ohhh dubidu .. ich wär so gern wie duhuhu…. 😀
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